Katharina Grosse

Katharina Grosse

Katharina Grosse

Albertina

Wilde Spray-Art über die Leinwand hinaus auf gewellten Folien

Warum Drei Töne Kein Dreieck Bilden

Keine geringere als Katharina „die“ Grosse hat unseren Weg in Ihre Ausstellung „Warum Drei Töne Kein Dreieck Bilden“ durch den Hofgarten in die ehrwürdigen Hallen der Albertina geführt.

Was soll ich sagen, Sie hat das letzte aus Ihrer Sprühkanone rausgeholt. Ihre Arbeiten sind so dynamisch und energiegeladen, dass es keinen Halt kennt. Die Werke greifen in den Raum über die Leinwand hinaus, vom Boden bis zur Decke, von links bis rechts um die Ecke herum. Interessant ist auch die Idee, die Wand zuvor mit Folie zu bespannen, welche sich bewusst wellt und dadurch noch eine weitere Dimension ins Werk bringt. Darauf die Leinwand montiert. Und ab geht die Post!

Skulpturale Arbeit

Spannend ist auch die installierte, wallende Leinwand als Skulptur von der Decke hängend und den gesamten Raum erfassend. Die weiße Pfeilerhalle gibt den spannenden Kontrast. Besser könnte es kaum wirken.

Wobei ich es mir zugegebenermaßen an ein paar Stellen noch wilder hätte vorstellen können, denn es wirkt fast so, als ob sie bewusst „nur“ auf der Leinwand bleiben wollte. Das soll keine Kritik seine, eher eine Feststellung eines Ahnungslosen.

Kunstinstallation auf hängenden Textilien, die mit Farbe besprüht wurden
weiße Pfeilerhalle mit bunten, großen Kunstwerken

begehbare Werke

Die Farbverläufe, die sie mit Ihrer Sprühpistole hinkriegt und die aus tausenden kleinen Punkte bestehen, sind schon Kunstwerke für sich. Die volle Wirkung bekommt das Ganze aber erst dadurch, dass sie ohne Gnade den Raum mit ein- oder besser überzieht. Man läuft so förmlich durch das Werk. Die Distanz geht verloren. Man wird Teil davon.

Ausstellungsraum im Weitwinkel mit bunten Kunstwerken und gewellten Folien an der Wand, auf denen sich die Farbe fortsetzt
Großes Kunstwerk an Ausstellungswand, das darüber hinaus gesprüht wurde

Farbfelder in Expansion

Katharina Grosse studierte in Münster und Berlin. Ihre Spritzpistolentechnik hat sie erstmals 1998 auf der Biennale in Sydney angewandt. Dies hat sie wenig später begonnen auf immer größere Flächen im Freien auszuweiten. Wenn es sein muss auch über Möbel, Schutt und was auch immer kommen mag hinweg. Schauen wir mal was sich ihr als nächstes in die Quere stellt! Sie gilt als eine der größten Künstlerinnen unserer Zeit.

In jedem Fall eine ungewöhnlich sehenswerte Ausstellung. In Wien geht doch immer was! Wer bis zum 1. April nicht da war, hat leider was verpasst.
Kein Scherz.

Farbverläufe aus der Sprühdose als Kunstwerk

AKUT

AKUT

AKUT

in Metropolink’s Commissary

beschriftete Glasscheibe mit Blick auf Ausstellungswand

Ein akuter Planwechsel

Eigentlich hatten wir geplant Ende November nach Paris zu fahren. Aufgrund eines garstigen Männerschnupfens ist das leider ausgefallen. Aber manchmal hat man Glück und so hat sich der umtriebige Akut entschieden, eine Ausstellung in der Metropolink Commissary zu arrangieren. Wer da was arrangiert hat, sei mal dahingestellt. Auf dem Metropolink Festival (siehe dazu unsere Beiträge aus 2020 und 2021) war er ja auch schon mit Teamsprayerin Hera in Aktion — gemeinsam als Herakut global bekannt und anerkannt. Zwei kleine Werke zieren stolz mein heimatliches Arbeitszimmer.

Photorealistische Kunst

In der alten PX-Kantine (neudeutsch „Commissary“) im stillgelegten Patrick-Henry-Village durfte Akut in Kooperation mit Kollege KKade ein monumentales und superrealistisches Werk an die Wand bringen. Farben und Airless-Technik für das 90 m²-Werk hat übrigens unser Lieblingsmaler malerhauck.de gesponsert.

Photorealistisch ist Akuts Leidenschaft und wirklich beeindruckend, was er da aus der Dose quetscht. Damit hat er schon in den 90ern begonnen, sich einen Namen zu machen. Damals noch als Teil von Ma’Claim war er der erste in der Sprayer-Szene, der derart realistisch zur Tat schritt. So kam es auch, dass er mit seiner Truppe zu größeren Festivals tingelte und dort auf Hera getroffen ist. Eine einzigartige Symbiose.

Detail des photorealistischen Murals
Wandbild eines Portraits mit zwei Besuchern davor
Bemalte Gesichter in einer Ausstellung

Ausgestellte Sprüh-Kunst

Wohl von Hera (Jasmin Siddiqui mit bürgerlichem Namen) nicht ganz ausgelastet, macht er neuerdings auch Werke — und vier davon gibt es zu sehen — mit Julia Benz, KKade, MadC und Stohead. Interessant, aber an die Power von Herakut kommt es nicht ran. Im stillen Kämmerlein sieht man noch ein paar Eigenkreationen, hübsch anzusehen und zu erwerben.

Portrait eines bunt bemalten Gesichts

Photoarbeiten

Und ein ganz anderes Projekt um nackte Wände zu verschönern, an dem er seit Jahren arbeitet, ist die Photographie. Wenn er irgendwo auf Reisen ist, macht er Photos von bekannten Sprayern — eine ganze Serie davon ist auf der Empore zu sehen — denen er eines ihrer eigenen Werke in das Gesicht projiziert. Das Buch dazu ist wohl in Planung.

Lichtprojektion von Kunstwerk auf Gesicht
Fotos von Lichtprojektionen in Gesichtern
Wandgraffiti mit Texten

Weltverbesserer

Vielseitig oder besser vielschichtig ist er, der gute Falk Lehmann, alias Akut. Er studierte Grafik-Design, was ihn sicherlich beeinflusste, aber nicht glücklich gemacht hat. Sodass er sich glücklicherweise seiner künstlerischen Seite zugewendet hat, um die Welt mit monumentalen Murals und Leinwänden zu einer Besseren zu verhelfen. Dabei setzt er sich stetig mit gesellschaftlichen Themen auseinander und arbeitet gerne mit humanitären Organisationen. Im Fokus seiner eigenen Werke steht fast immer ein Portrait. Gestochen scharf mit einem bohrenden Blick.

Wandgraffiti mit Texten

nicht zu vergessen

In Mannheim im Quadrat F6,5 hat Akut im Corona-Sommer 2020 ein Gemälde „Gegen das Vergessen“ geschaffen, welches zwei Portraits aus der Serie von Luigi Toscano zeigt, der Überlebende des Holocausts portraitiert. Das Werk ist tagein, tagaus kostenlos zu bewundern. Um in die Commissary zu kommen, muss man eher Glück haben und einen der wenigen Öffnungstermine erwischen.

www.akut1.com

www.metropolink-festival.de

Mural mit zwei Gesichtern
Metropolink 2020

Metropolink 2020

Metropolink Festival 2020

FESTIVAL FÜR URBANE KUNST in Heidelberg

Der öffentliche Raum als Kunstwerk

Streetart-Künstler aus ganz Europa durften auf dem Metropolink 2020 mit insgesamt 14 Graffiti oder auch sogenannten Murals die Wände in Heidelberg verschönern. Murals sind Wandmalereien im öffentlichen Raum, welche ursprünglich nationale, sozialkritische und historische Inhalte widerspiegeln. Derartige urbane Kunst und Kultur trägt zum Stadtbild und zur Stadtentwicklung bei und bringt so die Menschen auch in schwierigeren Zeiten näher zusammen. Die Straße wird in einen kreativen Raum verwandelt und alle Interessierten können internationale Kunst kostenlos und ohne Berührungsängste bewundern. Auf einer kleinen Entdeckungsreise quer durch Heidelberg lassen sich die kreativen Ideen der Street-Artists entdecken.

Das wohl prominenteste Werk im Heidelberg Bahnhof können nun täglich rund 45.000 Fahrgäste bewundern. Auf diese Weise sorgt es auch über die Region hinaus für Aufmerksamkeit. Geschaffen wurde es vom spanischen Künstlerduo PichiAvo und ist circa 165 qm groß. Expressiv, bunt und frei nach dem Motto„barocke Klassik trifft auf Graffiti“ ziert es die Nordfassade des Bahnhofs.

Bunt bemaltes Haus in Türkis und Rot
Text und dekorative Elemente auf einer Motorhaube
weißes Haus mit riesigem Gemälde eines Menschen mit Tierrock und Flügeln
kunterbunte, halbhohe Mauer mit einem großen Gesicht mit Kappe
Dunkelblaues Haus mit geometrischen Mustern darauf
Durchgang mit Kunst an Boden, Wand und Decke
Wandkunst in düsteren Farben mit Abbildung einer Einkaufstüte
Fahrräder in der Draufsicht

Patrick-Henry-Village

Die meisten Werke der Streetart-Künstler sind vermutlich auf dem Festival-Gelände am Patrick-Henry-Village zu bestaunen. Der neu entstehende Stadtteil entsteht aus einer ehemals amerikanischen Konversionsfläche. Dort werden die Menschen von der Vielfalt und Belebung durch Kunst im öffentlichen Raum profitieren. Denn die zahlreichen Graffiti, Skulpturen, Installationen und Events inspirieren, begeistern und faszinieren die Bewohner und Besucher. So gab es auf dem Metropolink 2020 neben abendlichen Lichtinstallationen, wie zum Beispiel „Digital Calligraffiti“ von Michael Ang, auch mächtig auf die Ohren. Darüber hinaus durfte in Workshops selbst Hand angelegt werden. 10 Tage Kunst auf dem Metropolink in Heidelberg im sonst trockenen Corona-Sommer waren für viele eine willkommene Abwechslung. Das Festival war fast immer ausverkauft, aber wegen der strengen Hygienevorschriften durften nur maximal 500 Besucher auf das Gelände. Dennoch is es schön, dass in Zeiten kultureller Trockenheit das Streetart-Festival stattfinden konnte. Die Corona-Pandemie tat der Freude an den Kunstwerken keinen Abbruch.

Wir freuen uns schon sehr auf die Werke im kommenden Jahr!

sitzende Menschen bei Kunst-Festival
Richard Jackson

Richard Jackson

Richard Jackson

UNEXPECTED UNEXPLAINED UNACCEPTED

Unser erster Museumsbesuch seit Corona ging in die Schirn nach Frankfurt. Ganz unerwartet zu Richard Jackson aus California. Mit Online-Ticket für ein vorausgewähltes Zeitfenster, Maske und einer groben Vorstellung wie viel 1,5 Meter sind, haben wir uns in der ersten Schlange noch vor dem Gebäude eingereiht. Auch ein Seniorenheim machte wohl einen Ausflug. Neben unserem Ziel läuft noch eine zweite Ausstellung zu alten Künstlerdamen, aha! Nach kurzem treppauf ging es in einer zweiten Schlange weiter und der Abstand schrumpfte auf eine Armlänge — vor Spannung — oder wieviel sind gleich anderthalb Meter?

In jedem Falle wurde am Ende der zweiten Treppe klar getrennt: Links die Senioren und geradeaus durften wir. Ja, sonst war da niemand. Wir hatten die komplette Ausstellung für uns. Phantastisch. Geradezu unexpected. Woran das liegen mag? Hierzulande ist Richard Jackson wohl wenig bekannt. Jenseits des Teich aber sehr wohl. Er selbst ist großer Fan von Jackson Pollock und seine erste Schaffensphase dem abstrakten Expressionismus angelehnt. Er wohnte einige Zeit mit Bruce Naumann zusammen in Pasadena und wurde von seinem Förderer Edward Kienholz in die Kunstwelt von LA eingeführt, ursprünglich studierte er Bauingenieurwesen in Sacramento.

MALMASCHINEN

Richard Jacksons Kunst kurz beschrieben: ein konzeptuell-humoristisch-expressiver Environment-Popart-Mix. Dabei ist ihm der Entstehungsprozess wichtiger, nicht das Endprodukt. Nach seiner expressionistischen Phase hat sich für ihn immer mehr der Malprozess erweitert, dabei sind mit der Zeit immer mehr Malmaschinen entstanden, welche er selbst konstruiert. Diese können ganze Autos oder sogar Flugzeuge beinhalten. Diese Maschinen versprühen dann exakt geplant, zufällig Farbe. Klingt verrückt? Ist aber so. Seine Installationen sind immer vielteilig, aufwendig hergestellt und (nicht nur) durch lebensgroße Glasfiberkomikfiguren auch sehr lustig. Einige seiner Werke hat er auch wieder zerstört, der Weg ist sein Ziel.

THE WAR ROOM

Auf der Ausstellung selbst werden fünf seiner „Rooms“ gezeigt, seit 2005 sind davon bisher zwölf entstanden. Seine Werke benötigen Platz und als erstes springen einem die überlebensgroßen Dagoberts ins Auge. Mit „The War Room“ hat er Jasper Johns monumentales Gemälde „Dymaxion Map“, basierend auf Buckminster Fullers idealistischer Weltkarte, wieder zurück auf einen Raum gefaltet und ringsum riesige Generäle in Entenform positioniert, die sich gegenseitig mit Farbe bespritzen — der Kampf um die knappen Ressourcen.

THE DINING ROOM

In „The Dining Room“ hat er eine häusliche Szene, wie aus einem Splatterfilm als eskaliertes Abendessen dargestellt. Der Papa hat sich mal so richtig Luft gemacht. Auch hier wurde über gesteuerte Kompressoren ganz gezielt Farbe zufällig verspritzt.

BED ROOM

„Bed Room“ ist die Weiterführung einer 25 Jahre älteren (und zerstörten) Version eines detailgetreu nachgebauten Schlafzimmers. Allerdings muss sich unter dem Bett eine Hydraulik befunden haben, welche das mit Farbe versehene Bett an der Decke rotieren ließ. Er hat schon früher die farbige Leinwand zur Wand gedreht, so entstanden seine „Wall Paintings“.

THE MAID’S ROOM

Eine Hommage an Marcel Duchamps Installation „In Étant donnés“ hat er mit dem voyeuristischen Raum „The Maid’s Room“ geschaffen. Was da mit dem Staubsauger abgegangen ist, will man nicht wissen.“… man muss sich den Entstehungsprozess selbst vorstellen“, sagt der Künstler.

THE DELIVERY ROOM

Ähnlich blutig geht es in „The Delivery Room“ zu. In einem Kreißsaal findet eine Entbindung statt. Allerdings schaut das ganze aus wie ein Massaker. Wofür die verspritzte Farbe steht dürfte klar sein. Hier wird in einem Kraftakt die expressionistische Maschinenmalerei geboren.

Der 1939 geborene Künstler versucht bis heute die Malerei zu erweitern und hat wohl sichtlich Spaß dabei. Wenn gleich ihm klar ist, dass alles eine Lebensdauer hat, er irgendwann sterben wird und mit ihm dann auch seine Kunst! Nun ja, hoffentlich bleibt doch einiges davon erhalten. Tolle Ausstellung mit inspirierenden Werken. Unerwartet eben.