Richard Jackson
UNEXPECTED UNEXPLAINED UNACCEPTED
Unser erster Museumsbesuch seit Corona ging in die Schirn nach Frankfurt. Ganz unerwartet zu Richard Jackson aus California. Mit Online-Ticket für ein vorausgewähltes Zeitfenster, Maske und einer groben Vorstellung wie viel 1,5 Meter sind, haben wir uns in der ersten Schlange noch vor dem Gebäude eingereiht. Auch ein Seniorenheim machte wohl einen Ausflug. Neben unserem Ziel läuft noch eine zweite Ausstellung zu alten Künstlerdamen, aha! Nach kurzem treppauf ging es in einer zweiten Schlange weiter und der Abstand schrumpfte auf eine Armlänge — vor Spannung — oder wieviel sind gleich anderthalb Meter?
In jedem Falle wurde am Ende der zweiten Treppe klar getrennt: Links die Senioren und geradeaus durften wir. Ja, sonst war da niemand. Wir hatten die komplette Ausstellung für uns. Phantastisch. Geradezu unexpected. Woran das liegen mag? Hierzulande ist Richard Jackson wohl wenig bekannt. Jenseits des Teich aber sehr wohl. Er selbst ist großer Fan von Jackson Pollock und seine erste Schaffensphase dem abstrakten Expressionismus angelehnt. Er wohnte einige Zeit mit Bruce Naumann zusammen in Pasadena und wurde von seinem Förderer Edward Kienholz in die Kunstwelt von LA eingeführt, ursprünglich studierte er Bauingenieurwesen in Sacramento.
MALMASCHINEN
THE WAR ROOM
Auf der Ausstellung selbst werden fünf seiner „Rooms“ gezeigt, seit 2005 sind davon bisher zwölf entstanden. Seine Werke benötigen Platz und als erstes springen einem die überlebensgroßen Dagoberts ins Auge. Mit „The War Room“ hat er Jasper Johns monumentales Gemälde „Dymaxion Map“, basierend auf Buckminster Fullers idealistischer Weltkarte, wieder zurück auf einen Raum gefaltet und ringsum riesige Generäle in Entenform positioniert, die sich gegenseitig mit Farbe bespritzen — der Kampf um die knappen Ressourcen.
THE DINING ROOM
In „The Dining Room“ hat er eine häusliche Szene, wie aus einem Splatterfilm als eskaliertes Abendessen dargestellt. Der Papa hat sich mal so richtig Luft gemacht. Auch hier wurde über gesteuerte Kompressoren ganz gezielt Farbe zufällig verspritzt.
BED ROOM
„Bed Room“ ist die Weiterführung einer 25 Jahre älteren (und zerstörten) Version eines detailgetreu nachgebauten Schlafzimmers. Allerdings muss sich unter dem Bett eine Hydraulik befunden haben, welche das mit Farbe versehene Bett an der Decke rotieren ließ. Er hat schon früher die farbige Leinwand zur Wand gedreht, so entstanden seine „Wall Paintings“.
THE MAID’S ROOM
Eine Hommage an Marcel Duchamps Installation „In Étant donnés“ hat er mit dem voyeuristischen Raum „The Maid’s Room“ geschaffen. Was da mit dem Staubsauger abgegangen ist, will man nicht wissen.“… man muss sich den Entstehungsprozess selbst vorstellen“, sagt der Künstler.
THE DELIVERY ROOM
Ähnlich blutig geht es in „The Delivery Room“ zu. In einem Kreißsaal findet eine Entbindung statt. Allerdings schaut das ganze aus wie ein Massaker. Wofür die verspritzte Farbe steht dürfte klar sein. Hier wird in einem Kraftakt die expressionistische Maschinenmalerei geboren.
Der 1939 geborene Künstler versucht bis heute die Malerei zu erweitern und hat wohl sichtlich Spaß dabei. Wenn gleich ihm klar ist, dass alles eine Lebensdauer hat, er irgendwann sterben wird und mit ihm dann auch seine Kunst! Nun ja, hoffentlich bleibt doch einiges davon erhalten. Tolle Ausstellung mit inspirierenden Werken. Unerwartet eben.