Guggenheim meets Elíasson

Guggenheim meets Elíasson

Guggenheim Bilbao

       meets

Ólafur Elíasson

Roadtrip

Es hatte sich der glückliche Umstand ergeben, spontan einem 6-tägigen Roadtrip von Porto zurück in die Heimat beizuwohnen. Es war eigentlich eine Bus-Überführung, bei der ich mich kurzfristig als blinder Passagier eingeschlichen habe. Entlang der 2400 km langen Strecke gab es so einiges zu entdecken. Neben den vielen Portweinkellereien, Weingütern, leckeren Weinproben und kulinarischen Verköstigungen konnte nach dem steilen, kurvigen und von Weinreben bewachsenen Douro-Tal der kulturelle Abstecher nach Bilbao nicht fehlen. Betactive meets Guggenheim meets Elíasson.

Architektur aus organischen Freiformen
Text und dekorative Elemente auf einer Motorhaube

Der Bilbao-Effekt

In Bilbao durfte vor ein paar Jahren ein alter Bekannter das etwas triste Industrie-Stadtbild mit einem wirklich abgefahrenen Museumsbau aufwerten. Kein geringerer als Frank Gehry (ich glaube er lässt derzeit das „O.“ weg) durfte 1993 der Guggenheim Foundation sein Konzept präsentieren. Nach erstaunlich kurzer Bauzeit von 4 Jahren wurde im Herbst 1997 die Hütte feierlich eingeweiht. Seither hat sich die Stadt durch den gigantischen Kunst-Magneten gewaltig gemausert was auch Bilbao-Effekt genannt wird. Unbedingt sehens- und erlebenswert ist die Innenstadt mit alten Prachtbauten, vielen Geschäften, engen Gassen und unzähligen Pintxo-Bars, obwohl die restriktiven spanischen Corona-Regeln derzeit leider den Spaß schon einschränken. Zu den spanischen Tapas trinkt man am besten Rioja. Das Anbau-Gebiet liegt übrigens unweit von Bilbao. Leider hat der Weg uns, zumindest dieses Mal, nicht dorthin geführt.

Text und dekorative Elemente auf einer Motorhaube
Bunt bemaltes Haus in Türkis und Rot

komplexe Konstruktion

Das Guggenheim Museum selbst streckt sich am Fluß Nervión entlang mit verschiedenen, in sich verdrehten Ebenen, Dächern und Winkeln. Die Struktur des gesamten Baus ist sehr komplex und man findet wenige rechte Winkel – aber es gibt sie. Allerdings ist trotz der fließenden, in sich verschobenen und verdrehten Architektur doch ein klarer Weg durchs Museum zu finden — ganz im Gegensatz zum deutlich jüngeren Pendant in Paris. Auf drei Etagen befinden sich die Ausstellungen.

Aber schon an der Uferpromenade auf dem Weg zum Museum stößt man auf diverse Skulpturen der Superstars aus dem 20 Jahrhundert: Jeff Koons, Anish Kapoor oder Thomas Schütte vorne dabei. Im Erdgeschoß ist eine ganze Halle dem gigantischen, begehbaren Werk von Richard Serra gewidmet. Wow. Gleich mehrere seiner riesigen Stahl-Ellipsen darf man dort durch- und umlaufen. Gegenüber hat einer meiner besonderen Lieblinge einen Raum bespielen dürfen: Jenny Holzer mit einem ganzen Rudel an Lichtlaufbändern, die zum Himmel streben, und ihren einzigartigen Statements. Der gesamte Raum erstrahlt in blau und rot. Mega.

Kupferne gigantische Stahlellipsen
Kupferne gigantische Stahlellipsen
Durchgang mit Kunst an Boden, Wand und Decke
Durchgang mit Kunst an Boden, Wand und Decke
Fahrräder in der Draufsicht
sitzende Menschen bei Kunst-Festival

Guggenheim meets Elíasson

Und auf wessen Kunst treffe ich im 1. OG? Na die des derzeit fast omnipräsenten Ólafur Elíasson. Er ist heute in fast allen großen Sammlungen und Museen zu finden. Da fragt man sich, wie schafft er das? Ein wahres Genie der Selbstvermarktung. Mit seinem mittlerweile rund hundertköpfigen Team, das übrigens in Berlin seine Homebase hat, hat er eine ungewöhnliche Marke geschaffen. Seine Werke sind immer begeisternd und er beschäftigt sich mit der Natur und physikalischen Phänomenen wie Licht, Farben, Wasser, Nebel, Reflexionen und Bewegung.

Dies ist überlagert vom nachhaltigen Gedanken, auf Umweltzerstörung und den Klimawandel aufmerksam zu machen, was ihm meist beeindruckend gelingt. Beispielsweise mit der Bilderserie von isländischen Gletschern und dem schmelzenden Eis oder seinen gefärbten Flüssen. Große Bekanntheit hat auch seine Solarlampe für Afrika in Sonnenblumenform. Er schafft es Kunst und Natur zu verbinden. Mit das bekannteste Werk dürfte die riesige Sonne in der Tate London vor ein paar Jahren gewesen sein.

sitzende Menschen bei Kunst-Festival

Ein Erlebnis

In der Ausstellung in Bilbao sieht man einen Abriss bekannter Werke aus den unterschiedlichsten Schaffensbereichen. Angefangen mit vieleckigen Objekten, Spiegeln, Farbfolien und natürlich Licht, bzw. Lichtobjekte, die phantastische Effekte in den Raum zaubern. In die riesige Mooswand will man sich am liebsten hineinkuscheln. Einen Raum weiter wird es allerdings deutlich feuchter. Nebel steigt auf und Regenbogen spiegeln sich wider. Und wirklich monochrom wird es dann im „Room for one Color“ — ein echtes Erlebnis. Elíasson und das Guggenheim, bei Regen und Corona wohl kaum zu toppen.

Das Guggenheim hat natürlich noch weit mehr an großer Kunst zu bieten, aber irgendwann hat der Hunger gerufen und die Pintxos mit Rioja haben doch auch was verführerisches. Am nächsten morgen ging die Fahrt dann natürlich pünktlich weiter Richtung Frankreich. Bordeaux stand auf dem Plan!

Orange beleuchteter Raum mit Lichtröhren an der Decke
Zeche Zollverein

Zeche Zollverein

Zeche Zollverein

Die schönste Zeche der Welt

Ein schon lange ausstehender Besuch hat uns nach Essen in die Zeche Zollverein geführt. Wo früher wohl alles mal von Kohle schwarz war ist es heute grün! Hohe Bäume umragen die gigantischen Bauten aus dem letzten Jahrhundert. Das längste davon, die Kokerei ist 600 Meter lang. 324 Öfen, jeder davon 1300° heiß, 24 Stunden, 365 Tage im Jahr. Brutal. Genauso brutal muss dort die Arbeit gewesen sein. Heute fast nicht mehr vorstellbar. Es bläst ein frischer Wind und hin und wieder gehen Regenschauer über uns hinweg. Ab und an lässt sich die Sonne blicken. Die haben wohl die Arbeiter, die in den 12 Schächten und 1000 Meter tiefer in den Wintermonaten fast nie gesehen, wenn sie das schwarze Gold aus dem Berg geholt haben.

Der Ort ist wahrlich ein Denkmal, beeindruckend diese alte Industrie-Architektur, mit den weit sichtbaren Fördertürmen- und Bändern, Schornsteine, riesige Gebäude, die nur für ihre Funktion da sind, die Backsteine, Stahl, Eisenbahn, Rost, hier und da ein paar Buchstaben und Zahlen zur Orientierung. Hier kann man Stunden verbringen, auch mit dem Fahrrad hindurchfahren. Abends wird es toll beleuchtet, es finden Veranstaltungen statt, es gibt sogar ein Schwimmbad. Wenn da kein Corona wäre. Im Kesselhaus befindet sich das Red Dot Design Museum, welches wir aus zeitlichen Gründen leider nicht mehr geschafft haben zu besuchen. Ich bin mir aber sicher, dass nächste mal wird es nicht so lange dauern bis wir wieder hierher kommen.

Zeche Zollverein Essen Förderbänder
Zeche Zollverein Essen Förderturm

Seit 2001 ist die Zeche Zollverein UNESCO-Welterbe. Es gibt mehrere Führungen, Corona-bedingt leider nur zwei und die sind gekürzt, aber trotzdem super spannend. Unbedingt machen. Darüber hinaus gibt es diverse Ausstellungen, das Ruhr Museum, Red Dot Design Museum, Verpflegungseinrichtungen und eben 100 Jahre Industriekultur.

Weitere spannende und ungeschönte Photographien aus dem Ruhrpott finden Sie in unserem Blogbeitrag über Till Brönner.

Dutch Design Week Eindhoven

Dutch Design Week Eindhoven

Dutch Design Week 

Eindhoven

Galerie mit Exponaten im Bereich Wohndesign

Lässig, chic und unkonventionell

Eindhoven ist mit rund 230.000 Einwohnern nicht riesig, aber die Dutch Design Week hat sich über die letzte Jahre zur bedeutendsten Design Week Europas entwickelt. Über die ganze Stadt verteilt und mit mehreren Schwerpunkten bietet sie für jeden etwas. Man kann also gar nicht enttäuscht werden. Erwartet werden sage und schreibe 350.000 Besucher in einer Woche. Das tolle ist, dass die Veranstalter mehrere kostenfreie Bus-Shuttle-Linien eingerichtet haben um verschiedene (oder auch alle) Schwerpunkte per Hop-On/Hop-Off  zu besuchen. Insgesamt acht Routen unter anderem mit den Themen „Bio Design“, „Art & Collectables“, „Architecture & Public Space“. Wir haben uns vor allem die zwei Bereiche Downtown und Strijp, das ehemalige Philipsgelände, vorgenommen.

Das für den gemeinen Gestalter besonders auffällige ist, dass die Niederlande generell irgendwie designter sind und häufiger nach unkonventionellen Lösungen gesucht werden. Egal, ob es die gestreiften Ampeln sind, die von Studio Dumbar entworfenen Polizeiautos, oder ob man in ein Ladengeschäft geht — alle haben schicke Logos oder ein lässiges Interior, aber teilweise gewiss auch sehr eigen.

Holzkonstruktion mit Badewanne zum Färben von Stoffen

Einfach spannend

Trotz des unpraktischen Plans der ddw, den es online wie offline gab, haben wir in der kurzen Zeit viel gesehen. Wir haben uns treiben lassen und montag morgens erst mal die Innenstadt zu Fuß entdeckt. Gleich der erste Stop war spannend: Studio Nienke Hoogvliet in der Schellensfabrik im Bleekweg. Hier konnte man sein eigenes Bio-Bekleidungsstück nachhaltig mit Pflanzen und Kräutern färben und später mitnehmen. Besonders das mit einfachen Mitteln pragmatisch und doch spannend gelöste Ausstellungsdesign hat uns sehr gefallen.

Stahlkonstruktion mit bunten Kunststofffolien

Green Energy Mill Tower

Unübersehbar war der GEM Tower schon von weitem. GEM steht für the Green Energy Mill. Der Turm mit Sitzmöglichkeiten ist eine Kombination aus Windrad und Solar-Energie, welche über spezielle, bunte Kunststofffolien eingefangen wird. Er soll ausreichend Energie für Festivals generieren, die ja oft im Sommer auf freiem Feld stattfinden. Macht nicht nur optisch gute Laune!

Raum mit Holzstreben und Holzplatten, in dem ein T-Shirt aus nachhaltigen Materialien hängt

The End is near

Ein kurzes Stück weiter, im „Warehouse of Innovation“ ging es erst mal düster zur Sache. Unter dem Thema „The End is Near“ stellen junge Designer durchgeknallte Klamotten im Endzeit-Look vor und thematisieren dadurch die Fashionindustrie als großen Umweltsünder. Der zweite Teil stellte dann die zukunftsfähigen Materialien vor, wie z.B. Algen, Quallen oder recyceltes Acryl. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und wurden im Bereich Mode, Möbeln, Beschattungen, Bootsbau und vieles mehr gezeigt.

Aufgefallen ist uns hier Wendy Andreu mit ihrem Projekt HARD SELVEDGES für SUNBRELLA — Faser-Abfälle aus der Produktion werden als Rohstoff für neue Materialien verwendet. Basierend auf einem lösemittelfreien Acrylharz sind sie nicht nur widerstandsfähig, sondern haben individuelle neuartige Designs.

Knallbunte Fasern aus Abfällen
weiße Pilze für die Verwendung in der Architektur

Growing Pavilion

Unser nächstes großes Ziel war dann Strijp. In den ehemaligen Philips Produktionshallen gibt es viel Platz für innovative, junge Firmen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Raum für zahlreiche Ausstellungen. Man hätte problemlos mehrere Tage hier verbringen kann. Ein paar Highlights: Schon das Außengelände mit diversen Pavillons lädt zum verweilen ein. Am ungewöhnlichsten ist wohl der GROWING PAVILION von Pascal Lebouq und Krown Design. Die Außenhaut ist komplett aus dem nachwachsenden Myzel von Ganoderma-Pilzen und mit Ästen, Zweigen und pflanzlichen Abfällen „konstruiert“. Wofür der Pilz noch verwendbar ist, z.B. Möbel oder Kleidung, sieht man im Inneren. Wirklich aufregend!

Bunte Pappkartonflächen mit Begriffen zum Thema Produktlebenszyklus

Circular Design

Nebenan im Powerhouse, bei CIRCO lernt man, wie man sehr einfach neue Geschäftsmodelle entwickelt. Circular Design für Produkt- und Materialdesign, nachhaltige Materialien zu schaffen, die am besten nach dem Cradle-to-Cradle Prinzip funktionieren, alles was man dem Kreislauf entnimmt, kann ihm am Ende seines Lebenszyklus wieder zurückgegeben werden.

Skateboard mit einem dicken Rad in der Mitte

Mobilität in der Zukunft

Ein großes Thema auf dem Freigeländer dahinter war natürlich Mobilität. Verschiedene Fahrzeug Konzepte werden vorgeführt und man darf auch selbst den Helm aufsetzen und losflitzen. Zum Beispiel mit meinem Favoriten — dem Onewheel Board. Ein Skateboard mit einem dicken Rad in der Mitte. Cooler kann man kaum durch die Stadt skaten, solange man das Gleichgewicht hält. Nur durch Gewichtsverlagerung beschleunigt man, bremst oder fliegt ins Gebüsch. Mit 25 Sachen. Ka-Wumm. Geil. Übung macht den Meister.

Präsentationstafeln mit verschiedenen Algen in Glasbehältnissen

Raumluft zum Reinbeissen

Mit viel mehr Zeit und Ruhe, geht es bei Hyunsoek Ans Projekt THE CORAL um die Reinigung von Raumluft mit Hilfe von Algen, die man dann auch noch essen kann! Klingt verrückt, ist es auch! Typisch asiatisch! Optisch erinnert die Installation an IKEA, geschmacklich sind die Algen wohl auch eher fad, dafür aber unglaublich gesund und vor allen Dingen ist die Luft dufte! Tolle Idee.

Plattenmaterial aus Holzstaub-Abfällen

New Lignum

Ein weiterer Ort der Dutch Design Week, den wir nicht unerwähnt lassen wollen, war die Kazerne in der Paradijslaan mit allen Nebengebäuden. Eigentlich Hotel und Restaurant, aber gleichzeitig ein Ort für Kunst, Design, Objekte, Möbel und Architektur. Hervorheben möchte ich das Material NEW LIGNUM von den beiden Studenten der Design Academy Eindhoven Ahrenberg & Guzman Olmos, die Holzstaub-Abfälle aus Schreinereien mit Casein mischen, gefärbt wird es durch Oxidation bspw. mit Kupfer und zum Schluss gepresst. Daraus entsteht eine sehr leichte, interessante Optik, die etwas an Pressspan erinnert. Das Ergebnis sind erstaunlich stabile Plattenware oder Formen, die das Studio direkt zu Möbeln verarbeitete. Wenn das Material serienreif ist, würde ich es gerne im Messebau verwenden.