Vienna Design Week

Vienna Design Week

Design Week

in Vienna

Am ersten Tag unseres zweiten Kurztrips nach Wien in diesem Jahr stand ein Besuch auf der Design Week an. Wir sind immer ganz gespannt, was für Ideen, Produkte, Materialien, Projekte andere Designer und gestalterisch tätige Unternehmen kreieren. Im Grunde ist die Design Week über die gesamte Stadt Wien verteilt, viele Büros, Ateliers, Geschäfte haben daran teilgenommen. Von kleinen Designbüros oder Manufakturen bis hin zu global Playern wie RADO oder IKEA — entdecke die Möglichkeiten. Letztere fungieren natürlich auch als Sponsoren. 

Auf der Baustelle

Mir hat ja schon die „Main Location“ an sich gefallen, etwas außerhalb gelegen und brillanterweise auf einer Baustelle! Wien stampft da gerade einen kompletten, neuen Stadtteil aus dem Boden. Da sind natürlich einige Gebäude mehr und weniger weit fertiggestellt. Eines davon erstreckt sich gefühlt über einen halben Kilometer entlang der Stadtautobahn und ist aus dem gröbsten Rohbau raus. Die Gipskartonwände sind gespachtelt, der Estrich liegt und auch Fenster und Türen sind schon voll funktionstüchtig, ebenso wie Treppengeländer. Hier gibt es also genügend Räume für eine temporäre Ausstellung. Perfekt!

Und auf dem Dach gab es gleich eine beeindruckende Installation: eine Photovoltaikanlage aus hochmodernen, wenige Millimeter starken Glaspaneelen, die sich quasi frei schwebend über die gesamte Gebäudelänge erstreckten und dort gleichzeitig als Schattenspender auf den Dachterrassen fungieren. Jetzt kommt der Knaller: die SoliTek-Module sind extrem nachhaltig, erfüllen den Cradle-to-Cradle Gold-Standard – grüner geht (fast) nicht – und kommen auch noch aus Europa. 

Blick über das Dach eine großen Gebäudekomplexes mit Photovoltaikmodulen
Ausstellungswand auf der Vienna Design Week mit verschiedenen Produkten

Die umfangreiche Ausstellung zeigt im Fokus die österreichische Designszene und macht die Gestaltungsansätze an mehr oder weniger konkreten Produkten sichtbar. Im Vordergrund stehen dabei Form, Funktion, Nachhaltigkeit, Ästhetik und Materialität.

Fantastisches Plastik

Dann sind wir auf ein tolles Material mit dreidimensionaler Wirkung gestoßen, das aus recyceltem Material besteht und wiederum voll recyclebar ist. Diese FANTOPLAST Paneele könnten wir uns gut im Messebau vorstellen, nicht nur als Plattenmaterial sondern auch verformt – bedruckt werden kann es obendrein. Nur günstig ist es nicht. Aber irgendwas ist ja immer. 

Kunststoff-Granulat
Recyceltes Plattenmaterial aus Kunststoff auf einem Tisch

Träsh?

Unsere Lieblinge aus der Kategorie Fokus Trash Made in Vienna sind Louis Funkes Kronleuchter und Virginia Jakims Stehlampe. Lustig anzuschauen und 100% Upcycling. Dazu gehören auch die verrückten Möbel — EXQUISITE CORPSE — von Barbara Gollackner und Eldine Heep in der Tradition französischer Surrealisten. Die abgefahrenen Vasenkreationen, bei deren Entwurf Maruša Mazej vermutlich beim Besuch des letzten Polterabends inspiriert wurde, dürfen in unserer Aufzählung nicht fehlen.

Leuchte in Form einer rosaroten Blume ausgestellt auf der Vienna Design Week
Kronleuchter aus Plastik-Müll
Glühbirne auf rundem Holzbrett als Leuchte
Verrückte, violette Vasen, die teilweise zerstört sind

Innovative Baustoffe

Ziemlich krasse Materialien bringen BIOFABRIQUE VIENNA gemeinsam mit Atelier LUMA (LUMA Arles) an den Start: Mit neuen Denkansätzen wollen sie innovative Materialien schaffen bspw. aus Abfall und am besten lokal produziert. Dieses bioregionale Pilotprojekt wird von der TU Wien unterstützt. Entwickelt werden Baustoffe wie Ziegel, Paneele, Lasuren und Keramiken. 

Materialmuster von Baustoffen, die zum Teil aus Abfall bestehen
Installation aus Holzstäben und einem papierbasierten Baumaterial

Eine recht progressive Installation namens „Spielraum“ hat Half Forms gezeigt – mit dem Ziel, dass die Besucher sich dem papierbasierten Baumaterial „Vulkanfieber“ spielerisch nähern können. Insbesondere zum Klettern regt es an. Eltern haften für ihre Kinder. 

Eine Vielzahl an Ateliers und Manufakturen

Ein weiteres Highlight sind die Lampen von HELLER & DIMMER aus deren Leuchtenmanufaktur. Um damit nur einige wenige der unzähligen Projekte vorzustellen.

Umfangreichere Einblicke gibt es über die Website der Vienna Design Week. Und das Tollste dabei sind die Eindrücke aus den jeweiligen Ateliers, die über die Stadt verteilt sind. Besonders begeistert hat uns hier FEINEDINGE, eine Porzellanwerkstatt in Wiens 4tem Bezirk. Filigrane Werke aus feinstem Porzellan, da muss man einfach mal reinschauen und staunen, der Elefant sollte aber zuhause bleiben.

Leuchten an schwarzen Schnüren aufgespannt

London Calling

London Calling

London calling

Kunst bis der Kopf raucht

Mit der höchsten Dichte an Museen ist London führend in Europa. Aber auch sonst eine Reise wert. Das letzte Mal war ich vor über 10 Jahren dort und seither ist viel passiert. Unter anderem hat der Brexit Spuren hinterlassen. Als Besucher war London schon immer teuer. Die Hotelpreise sind nochmal gestiegen, die Qualität leider nicht. Aber London hat ja mehr zu bieten und schlafen kann man schließlich auch zu Zuhause.

Nachdem für uns der September und Oktober vollgepackt mit Messen in verschiedenen europäischen Metropolen ist, fühlt es sich an wie Inselhopping. Diesmal ging es von Hamburg für zwei Tage nach London. Größer konnte der Kontrast nicht sein, Hamburger Hauptbahnhof mit warmem Spätsommer Wetter und leider viel Elend. Kurz darauf Ankunft in der fast leeren, nostalgischen Paddington Station bei Regenwetter. 

Bis auf das Wetter zeigte sich London von seiner schönsten Seite. Läden, Cafés, Restaurants, Pubs und Bars teils traditionell, teils modern, meist sehr innovativ. Das kulturelle Angebot steht dem kulinarischen in nichts nach. 

Designer-Maker-User

Zum Einstieg ging es erstmal in das Design Museum, das schon architektonisch beeindruckt. Im Obergeschoss wird die Ausstellung mit dem Titel Designer-Maker-Usergezeigt. Etwas überladen aber sehr wertschätzend unserer Arbeit als Designer gegenüber. Dass die Firmen Braun und Apple Design-Ikonen sind, weiß mittlerweile jeder. Aber hinter wievielen Prozessen und alltäglichen Dingen ein kluger Kopf steckt, wird jedem Besucher schon nach den ersten Metern klar.

Spannende Architektur mit Lichteinlässen knapp unter dem Dach

Das Museum selbst schreibt über die Ausstellung

„Design is a process carried out by people, for people. At its heart is a dialogue between three key people: the designer, the maker and the user. This exhibition invites you to explore design from the perspectives of all three. It shows how designers respond to the needs of makers and users, how users consume and influence design, and how revolutions in technology and manufacturing transform our world.

The exhibition draws on the Design Museum’s collection of objects to help us think about a wide variety of designed products – including many that will be familiar – in new and revealing ways.“

Alltagsgegenstände an einer Ausstellungswand
Logo vom Moco Museum in London auf einer Glasscheibe

Moderne Meister im Moco

Da „immersive Experience“ gerade in aller Munde ist mache ich mich als nächstes auf den Weg zum Frameless, die größte permanente multisensorische Erfahrung in Großbritannien. Aber irgendwie haben mich der Eintrittspreis und der Blick durch das Schaufenster nicht überzeugt. Schiele habe ich schon in Wien gesehen, Monet und Dalí mich nicht vom Hocker gerissen.

Das neu eröffnete Moco Museum nebenan war doch eher meins. Auch wenn der Eintritt ebenfalls nicht günstig ist. Von außen sieht man schon, was einen erwartet: „Ikonische Werke von berühmten modernen und zeitgenössischen Künstlern und aufstrebenden Stars“ so steht es zumindest auf deren Webseite.

Zeitgenössische Künstler

„Warhol, Haring, Banksy, Basquiat. Kusama und mehr! Eine Reise durch die Werke der legendärsten Meister, die die Kunstgeschichte neu definiert haben.“
Sie alle haben ihren Platz bekommen. Bereits im Erdgeschoss wird man erschlagen von großformatigen Werken und Namen, unter denen auch Damien Hirst, Jeff Koons und Tom Wesselmann vertreten sind. Hat man bisher keinen Ahnung oder keinen Überblick zu den zeitgenössischen Künstlern, dann spätestens jetzt.

Blick in Ausstellungsraum mit zwei großformatigen, farbenfrohen Bildern an der Wand

Überraschung

Etwas zu viel Namedropping meiner Meinung nach, daher bin ich froh auch mal im Obergeschoss und Untergeschoss den einen oder anderen mir Unbekannten zu treffen. Wobei: Surprise, surprise, wer kennt ihn nicht? Robbie Williams macht jetzt auch Kunst. Ich finde seine hier ausgestellten Kassetten ja witzig! Seine erste Einzelausstellung ist noch bis Ende Oktober in Amsterdamer Moco zu sehen.

Farbenfrohe Bilder von Kassetten an Museumswand
Großformatiges Bild mit kleinen lachenden Blüten

Superflat Art Movement

Direkt daneben hängen in London die Werke von KAWS, Julian Opie, Banksy und dem ganz großartigen Takashi Murakami. Mit dem raumeinnehmenden Panorama wird der japanische Künstler seiner Vorreiterrolle der Neo-Pop Generation „Superflat“ mehr als gerecht. Natürlich dürfen auch die Queen und Sir Elton John von Chris Levine in der britischen Hauptsdtadt nicht fehlen.

Goldene Skulptur in einem Museum in London
Bunte, bearbeitete Bilder von der Queen
Knallrotes Portrait den Musikers Elton John auf goldenem Hintergrund

Brasilianisches Künstler-Duo

Etwas versteckt ein Werk der brasilianischen Zwillinge OsGemeos in dem man ihre telepathische Art zu arbeiten erkennen kann. Jeder hat an einem Ende angefangen und sie treffen sich in der Mitte. Markant sind die gelben Gesichter und die kulturellen Einflüsse und Geschichten in ihren Fabelwesen. 

Buntes Gemälde, das von links und rechts ausgehend mit Figuren bemalt wurde, ausgestellt im Moco in London

Atmosphärische Kunst

Im Untergeschoss wird es dann etwas dunkler, ganz in schwarz gehalten finden sich hier NFTs mit szenischer Kunst auf einer Ebene. Ich könnte stundenlang die Atmosphäre des „Lunar Garden“ von Daniel Arsham genießen. Sein Zen Garten in rosa Mondlicht getaucht wirkt so beruhigend und man fühlt sich zeitlos in einer anderen Welt. Aber auch das Spiegelkabinett von Anthony James zieht einen magisch an. Seine Solar Blacks aus Stahl und Glass und LEDs lassen einen Raum und Zeit verlieren. So stelle ich mir den Weltraum vor.

Zen Garten mit Baum und Spuren im Sand in Rosa getaucht

Non-fungible Tokens

Einen kurzen Blick noch auf die NFTs bevor mir den Kopf platzt. Witzig, politisch und teils abstrus, aber alles ist möglich und auch diese Kunst hat den Platz in der Ausstellung verdient. Das Moco selbst schreibt dazu:

„Non-fungible tokens (NFT) are crypto-assets that record the ownership of digital items. NFTs are on blockchain, a type of database where information is stored in blocks. Once the block is filled it’s lined to another, which makes it nearly impossible to hack or cheat the system. NFT’s are unique and rare items that cannot be easily reproduced. Even though anyone can vies or download them, only the buyer can claim ownership. Are NFTs a cryptocurrency like Bitcon? The answer is no. However, they do use the same technology that powers cryptocurrency-blockchain. NFTs have changed the way we buy and sell, and now, it’s the future of digital art! So, when it comes to what can be created and sold as an NFT… the limit does not exist.“

Unterwegs im Outernet

Nach diesem Zwischenstopp stolpere ich dann doch über die aktuell laufende sehr coole „immersive Experience“ Outernet London. Laut der Webseite mit der weltgrößten Videowall im The Now Building.

Ob größte oder nicht, eigentlich egal. Waaaahhhhhnsinnig beeindruckend auf jeden Fall. Ab 10 Uhr morgens bis in die Nacht hinein kann man in unterschiedliche Welten eintauchen – ob Palast oder abstrakte Klötze, die auf einen zurasen, man ist mittendrin statt nur dabei. Mit dem Gebäude Now Trending und der angrenzenden Passage geht es weiter. Bunte Farben, Fabelwesen, Meerestiere und vieles mehr, man muss es erlebt haben. Auch über den Winter werden die Locations von Outernet von zahlreichen Musikveranstaltungen bespielt, ob die dann ihre eigene „Bühnenshow“ in 3D haben? Keine Ahnung, dafür war die Zeit zu knapp.

Aber ich bin mir sicher, London ich komme wieder!

Christoph Niemann

Christoph Niemann

Christoph Niemann

Bläck änd white änd …

Niemand ist frischer als Niemann

Christoph Niemann hat es geschafft dem angestaubten Mannheimer Kunstverein neues Leben einzuhauchen. Der Raum wird zum Gesamtkunstwerk und bekommt eine völlig neue Wirkung. Geradezu frisch. Hui!

einfallendes Licht und Farbstreifen auf Wänden als Teil der Ausstellung von Christoph Niemann
Ausstellungsraum mit bunten Bildern von Denise Thomasos

K0mplexe Ideen einfach erzählt

Eine Zeichnung von Christoph Niemann ist wahrscheinlich jedem schon mal irgendwo begegnet. Mit einfachen Strichen schafft er es witzig und pointiert zu erzählen und einem ein Schmunzeln auf die Lippen zu zaubern. Ab und an möchte man geradezu laut herauslachen.

Der Raum als Teil des Kunstwerks

In der aktuellen Mannheimer Ausstellung, sie läuft noch bis zum 28. April 2024, sind fast ausschließlich schwarz-weiße Werke zu sehen. Es beginnt mit einem riesigen Mannheimer Stadtplan, auf dem man den Raum betritt. Vis-à-vis ein großes Werk: Die Skyline von New York. Dort hat Niemann einige Jahre gearbeitet bevor er zurück nach Deutschland gekommen ist. Nun lebt und zeichnet er in Berlin. Studiert hat er an der Kunstakademie in Stuttgart, aufgewachsen in Ludwigsburg. Unzählige Werke sind in Gruppen an den jetzt knalligen Wänden in beliebiger Reihenfolge zu betrachten.
Ausstellungsraum mit Wänden in Gelb, Schwarz und Weiß und schwarz-weißen Bildern
Schwarz-weiße Illustration einer komplexen Maschine zu Kaffee-Zubereiten
Gemälde mit grafischen Linien und einer Straßenbahn von Christoph Niemann
Ausstellung von Christoph Niemann mit Bildern in Schwarz-Weiß und bunten Wänden

Kontrast

Titel der Ausstellung ist „Christoph Niemann — Kontrast“. Was sich zum einen direkt auf die Ausstellung ummünzen lässt, mit den schwarz-weißen Zeichnungen, Illustrationen und Drucken, und natürlich dem gestalteten Raum selbst, aber eigentlich auf seine Art zu Arbeiten. Niemann liebt starke Kontraste. Diese sind bei weitem nicht nur schwarz-weiß, sein ganzes Werk ist deutlich farbiger und bunter. Einen guten Eindruck davon bekommt man, wenn man seine umfangreiche Website besucht.

Also unbedingt hingehen nach Monnem — der kleine Eintrittspreis ist jedes Schmunzeln wert!

Guggenheim meets Elíasson

Guggenheim meets Elíasson

Guggenheim Bilbao

       meets

Ólafur Elíasson

Roadtrip

Es hatte sich der glückliche Umstand ergeben, spontan einem 6-tägigen Roadtrip von Porto zurück in die Heimat beizuwohnen. Es war eigentlich eine Bus-Überführung, bei der ich mich kurzfristig als blinder Passagier eingeschlichen habe. Entlang der 2400 km langen Strecke gab es so einiges zu entdecken. Neben den vielen Portweinkellereien, Weingütern, leckeren Weinproben und kulinarischen Verköstigungen konnte nach dem steilen, kurvigen und von Weinreben bewachsenen Douro-Tal der kulturelle Abstecher nach Bilbao nicht fehlen. Betactive meets Guggenheim meets Elíasson.

Architektur aus organischen Freiformen
Text und dekorative Elemente auf einer Motorhaube

Der Bilbao-Effekt

In Bilbao durfte vor ein paar Jahren ein alter Bekannter das etwas triste Industrie-Stadtbild mit einem wirklich abgefahrenen Museumsbau aufwerten. Kein geringerer als Frank Gehry (ich glaube er lässt derzeit das „O.“ weg) durfte 1993 der Guggenheim Foundation sein Konzept präsentieren. Nach erstaunlich kurzer Bauzeit von 4 Jahren wurde im Herbst 1997 die Hütte feierlich eingeweiht. Seither hat sich die Stadt durch den gigantischen Kunst-Magneten gewaltig gemausert was auch Bilbao-Effekt genannt wird. Unbedingt sehens- und erlebenswert ist die Innenstadt mit alten Prachtbauten, vielen Geschäften, engen Gassen und unzähligen Pintxo-Bars, obwohl die restriktiven spanischen Corona-Regeln derzeit leider den Spaß schon einschränken. Zu den spanischen Tapas trinkt man am besten Rioja. Das Anbau-Gebiet liegt übrigens unweit von Bilbao. Leider hat der Weg uns, zumindest dieses Mal, nicht dorthin geführt.

Text und dekorative Elemente auf einer Motorhaube
Bunt bemaltes Haus in Türkis und Rot

komplexe Konstruktion

Das Guggenheim Museum selbst streckt sich am Fluß Nervión entlang mit verschiedenen, in sich verdrehten Ebenen, Dächern und Winkeln. Die Struktur des gesamten Baus ist sehr komplex und man findet wenige rechte Winkel – aber es gibt sie. Allerdings ist trotz der fließenden, in sich verschobenen und verdrehten Architektur doch ein klarer Weg durchs Museum zu finden — ganz im Gegensatz zum deutlich jüngeren Pendant in Paris. Auf drei Etagen befinden sich die Ausstellungen.

Aber schon an der Uferpromenade auf dem Weg zum Museum stößt man auf diverse Skulpturen der Superstars aus dem 20 Jahrhundert: Jeff Koons, Anish Kapoor oder Thomas Schütte vorne dabei. Im Erdgeschoß ist eine ganze Halle dem gigantischen, begehbaren Werk von Richard Serra gewidmet. Wow. Gleich mehrere seiner riesigen Stahl-Ellipsen darf man dort durch- und umlaufen. Gegenüber hat einer meiner besonderen Lieblinge einen Raum bespielen dürfen: Jenny Holzer mit einem ganzen Rudel an Lichtlaufbändern, die zum Himmel streben, und ihren einzigartigen Statements. Der gesamte Raum erstrahlt in blau und rot. Mega.

Kupferne gigantische Stahlellipsen
Kupferne gigantische Stahlellipsen
Durchgang mit Kunst an Boden, Wand und Decke
Durchgang mit Kunst an Boden, Wand und Decke
Fahrräder in der Draufsicht
sitzende Menschen bei Kunst-Festival

Guggenheim meets Elíasson

Und auf wessen Kunst treffe ich im 1. OG? Na die des derzeit fast omnipräsenten Ólafur Elíasson. Er ist heute in fast allen großen Sammlungen und Museen zu finden. Da fragt man sich, wie schafft er das? Ein wahres Genie der Selbstvermarktung. Mit seinem mittlerweile rund hundertköpfigen Team, das übrigens in Berlin seine Homebase hat, hat er eine ungewöhnliche Marke geschaffen. Seine Werke sind immer begeisternd und er beschäftigt sich mit der Natur und physikalischen Phänomenen wie Licht, Farben, Wasser, Nebel, Reflexionen und Bewegung.

Dies ist überlagert vom nachhaltigen Gedanken, auf Umweltzerstörung und den Klimawandel aufmerksam zu machen, was ihm meist beeindruckend gelingt. Beispielsweise mit der Bilderserie von isländischen Gletschern und dem schmelzenden Eis oder seinen gefärbten Flüssen. Große Bekanntheit hat auch seine Solarlampe für Afrika in Sonnenblumenform. Er schafft es Kunst und Natur zu verbinden. Mit das bekannteste Werk dürfte die riesige Sonne in der Tate London vor ein paar Jahren gewesen sein.

sitzende Menschen bei Kunst-Festival

Ein Erlebnis

In der Ausstellung in Bilbao sieht man einen Abriss bekannter Werke aus den unterschiedlichsten Schaffensbereichen. Angefangen mit vieleckigen Objekten, Spiegeln, Farbfolien und natürlich Licht, bzw. Lichtobjekte, die phantastische Effekte in den Raum zaubern. In die riesige Mooswand will man sich am liebsten hineinkuscheln. Einen Raum weiter wird es allerdings deutlich feuchter. Nebel steigt auf und Regenbogen spiegeln sich wider. Und wirklich monochrom wird es dann im „Room for one Color“ — ein echtes Erlebnis. Elíasson und das Guggenheim, bei Regen und Corona wohl kaum zu toppen.

Das Guggenheim hat natürlich noch weit mehr an großer Kunst zu bieten, aber irgendwann hat der Hunger gerufen und die Pintxos mit Rioja haben doch auch was verführerisches. Am nächsten morgen ging die Fahrt dann natürlich pünktlich weiter Richtung Frankreich. Bordeaux stand auf dem Plan!

Orange beleuchteter Raum mit Lichtröhren an der Decke
Dutch Design Week Eindhoven

Dutch Design Week Eindhoven

Dutch Design Week 

Eindhoven

Galerie mit Exponaten im Bereich Wohndesign

Lässig, chic und unkonventionell

Eindhoven ist mit rund 230.000 Einwohnern nicht riesig, aber die Dutch Design Week hat sich über die letzte Jahre zur bedeutendsten Design Week Europas entwickelt. Über die ganze Stadt verteilt und mit mehreren Schwerpunkten bietet sie für jeden etwas. Man kann also gar nicht enttäuscht werden. Erwartet werden sage und schreibe 350.000 Besucher in einer Woche. Das tolle ist, dass die Veranstalter mehrere kostenfreie Bus-Shuttle-Linien eingerichtet haben um verschiedene (oder auch alle) Schwerpunkte per Hop-On/Hop-Off  zu besuchen. Insgesamt acht Routen unter anderem mit den Themen „Bio Design“, „Art & Collectables“, „Architecture & Public Space“. Wir haben uns vor allem die zwei Bereiche Downtown und Strijp, das ehemalige Philipsgelände, vorgenommen.

Das für den gemeinen Gestalter besonders auffällige ist, dass die Niederlande generell irgendwie designter sind und häufiger nach unkonventionellen Lösungen gesucht werden. Egal, ob es die gestreiften Ampeln sind, die von Studio Dumbar entworfenen Polizeiautos, oder ob man in ein Ladengeschäft geht — alle haben schicke Logos oder ein lässiges Interior, aber teilweise gewiss auch sehr eigen.

Holzkonstruktion mit Badewanne zum Färben von Stoffen

Einfach spannend

Trotz des unpraktischen Plans der ddw, den es online wie offline gab, haben wir in der kurzen Zeit viel gesehen. Wir haben uns treiben lassen und montag morgens erst mal die Innenstadt zu Fuß entdeckt. Gleich der erste Stop war spannend: Studio Nienke Hoogvliet in der Schellensfabrik im Bleekweg. Hier konnte man sein eigenes Bio-Bekleidungsstück nachhaltig mit Pflanzen und Kräutern färben und später mitnehmen. Besonders das mit einfachen Mitteln pragmatisch und doch spannend gelöste Ausstellungsdesign hat uns sehr gefallen.

Stahlkonstruktion mit bunten Kunststofffolien

Green Energy Mill Tower

Unübersehbar war der GEM Tower schon von weitem. GEM steht für the Green Energy Mill. Der Turm mit Sitzmöglichkeiten ist eine Kombination aus Windrad und Solar-Energie, welche über spezielle, bunte Kunststofffolien eingefangen wird. Er soll ausreichend Energie für Festivals generieren, die ja oft im Sommer auf freiem Feld stattfinden. Macht nicht nur optisch gute Laune!

Raum mit Holzstreben und Holzplatten, in dem ein T-Shirt aus nachhaltigen Materialien hängt

The End is near

Ein kurzes Stück weiter, im „Warehouse of Innovation“ ging es erst mal düster zur Sache. Unter dem Thema „The End is Near“ stellen junge Designer durchgeknallte Klamotten im Endzeit-Look vor und thematisieren dadurch die Fashionindustrie als großen Umweltsünder. Der zweite Teil stellte dann die zukunftsfähigen Materialien vor, wie z.B. Algen, Quallen oder recyceltes Acryl. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und wurden im Bereich Mode, Möbeln, Beschattungen, Bootsbau und vieles mehr gezeigt.

Aufgefallen ist uns hier Wendy Andreu mit ihrem Projekt HARD SELVEDGES für SUNBRELLA — Faser-Abfälle aus der Produktion werden als Rohstoff für neue Materialien verwendet. Basierend auf einem lösemittelfreien Acrylharz sind sie nicht nur widerstandsfähig, sondern haben individuelle neuartige Designs.

Knallbunte Fasern aus Abfällen
weiße Pilze für die Verwendung in der Architektur

Growing Pavilion

Unser nächstes großes Ziel war dann Strijp. In den ehemaligen Philips Produktionshallen gibt es viel Platz für innovative, junge Firmen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Raum für zahlreiche Ausstellungen. Man hätte problemlos mehrere Tage hier verbringen kann. Ein paar Highlights: Schon das Außengelände mit diversen Pavillons lädt zum verweilen ein. Am ungewöhnlichsten ist wohl der GROWING PAVILION von Pascal Lebouq und Krown Design. Die Außenhaut ist komplett aus dem nachwachsenden Myzel von Ganoderma-Pilzen und mit Ästen, Zweigen und pflanzlichen Abfällen „konstruiert“. Wofür der Pilz noch verwendbar ist, z.B. Möbel oder Kleidung, sieht man im Inneren. Wirklich aufregend!

Bunte Pappkartonflächen mit Begriffen zum Thema Produktlebenszyklus

Circular Design

Nebenan im Powerhouse, bei CIRCO lernt man, wie man sehr einfach neue Geschäftsmodelle entwickelt. Circular Design für Produkt- und Materialdesign, nachhaltige Materialien zu schaffen, die am besten nach dem Cradle-to-Cradle Prinzip funktionieren, alles was man dem Kreislauf entnimmt, kann ihm am Ende seines Lebenszyklus wieder zurückgegeben werden.

Skateboard mit einem dicken Rad in der Mitte

Mobilität in der Zukunft

Ein großes Thema auf dem Freigeländer dahinter war natürlich Mobilität. Verschiedene Fahrzeug Konzepte werden vorgeführt und man darf auch selbst den Helm aufsetzen und losflitzen. Zum Beispiel mit meinem Favoriten — dem Onewheel Board. Ein Skateboard mit einem dicken Rad in der Mitte. Cooler kann man kaum durch die Stadt skaten, solange man das Gleichgewicht hält. Nur durch Gewichtsverlagerung beschleunigt man, bremst oder fliegt ins Gebüsch. Mit 25 Sachen. Ka-Wumm. Geil. Übung macht den Meister.

Präsentationstafeln mit verschiedenen Algen in Glasbehältnissen

Raumluft zum Reinbeissen

Mit viel mehr Zeit und Ruhe, geht es bei Hyunsoek Ans Projekt THE CORAL um die Reinigung von Raumluft mit Hilfe von Algen, die man dann auch noch essen kann! Klingt verrückt, ist es auch! Typisch asiatisch! Optisch erinnert die Installation an IKEA, geschmacklich sind die Algen wohl auch eher fad, dafür aber unglaublich gesund und vor allen Dingen ist die Luft dufte! Tolle Idee.

Plattenmaterial aus Holzstaub-Abfällen

New Lignum

Ein weiterer Ort der Dutch Design Week, den wir nicht unerwähnt lassen wollen, war die Kazerne in der Paradijslaan mit allen Nebengebäuden. Eigentlich Hotel und Restaurant, aber gleichzeitig ein Ort für Kunst, Design, Objekte, Möbel und Architektur. Hervorheben möchte ich das Material NEW LIGNUM von den beiden Studenten der Design Academy Eindhoven Ahrenberg & Guzman Olmos, die Holzstaub-Abfälle aus Schreinereien mit Casein mischen, gefärbt wird es durch Oxidation bspw. mit Kupfer und zum Schluss gepresst. Daraus entsteht eine sehr leichte, interessante Optik, die etwas an Pressspan erinnert. Das Ergebnis sind erstaunlich stabile Plattenware oder Formen, die das Studio direkt zu Möbeln verarbeitete. Wenn das Material serienreif ist, würde ich es gerne im Messebau verwenden.