Christoph Niemann

Christoph Niemann

Christoph Niemann

Bläck änd white änd …

Niemand ist frischer als Niemann

Christoph Niemann hat es geschafft dem angestaubten Mannheimer Kunstverein neues Leben einzuhauchen. Der Raum wird zum Gesamtkunstwerk und bekommt eine völlig neue Wirkung. Geradezu frisch. Hui!

einfallendes Licht und Farbstreifen auf Wänden als Teil der Ausstellung von Christoph Niemann
Ausstellungsraum mit bunten Bildern von Denise Thomasos

K0mplexe Ideen einfach erzählt

Eine Zeichnung von Christoph Niemann ist wahrscheinlich jedem schon mal irgendwo begegnet. Mit einfachen Strichen schafft er es witzig und pointiert zu erzählen und einem ein Schmunzeln auf die Lippen zu zaubern. Ab und an möchte man geradezu laut herauslachen.

Der Raum als Teil des Kunstwerks

In der aktuellen Mannheimer Ausstellung, sie läuft noch bis zum 28. April 2024, sind fast ausschließlich schwarz-weiße Werke zu sehen. Es beginnt mit einem riesigen Mannheimer Stadtplan, auf dem man den Raum betritt. Vis-à-vis ein großes Werk: Die Skyline von New York. Dort hat Niemann einige Jahre gearbeitet bevor er zurück nach Deutschland gekommen ist. Nun lebt und zeichnet er in Berlin. Studiert hat er an der Kunstakademie in Stuttgart, aufgewachsen in Ludwigsburg. Unzählige Werke sind in Gruppen an den jetzt knalligen Wänden in beliebiger Reihenfolge zu betrachten.
Ausstellungsraum mit Wänden in Gelb, Schwarz und Weiß und schwarz-weißen Bildern
Schwarz-weiße Illustration einer komplexen Maschine zu Kaffee-Zubereiten
Gemälde mit grafischen Linien und einer Straßenbahn von Christoph Niemann
Ausstellung von Christoph Niemann mit Bildern in Schwarz-Weiß und bunten Wänden

Kontrast

Titel der Ausstellung ist „Christoph Niemann — Kontrast“. Was sich zum einen direkt auf die Ausstellung ummünzen lässt, mit den schwarz-weißen Zeichnungen, Illustrationen und Drucken, und natürlich dem gestalteten Raum selbst, aber eigentlich auf seine Art zu Arbeiten. Niemann liebt starke Kontraste. Diese sind bei weitem nicht nur schwarz-weiß, sein ganzes Werk ist deutlich farbiger und bunter. Einen guten Eindruck davon bekommt man, wenn man seine umfangreiche Website besucht.

Also unbedingt hingehen nach Monnem — der kleine Eintrittspreis ist jedes Schmunzeln wert!

Guggenheim meets Elíasson

Guggenheim meets Elíasson

Guggenheim Bilbao

       meets

Ólafur Elíasson

Roadtrip

Es hatte sich der glückliche Umstand ergeben, spontan einem 6-tägigen Roadtrip von Porto zurück in die Heimat beizuwohnen. Es war eigentlich eine Bus-Überführung, bei der ich mich kurzfristig als blinder Passagier eingeschlichen habe. Entlang der 2400 km langen Strecke gab es so einiges zu entdecken. Neben den vielen Portweinkellereien, Weingütern, leckeren Weinproben und kulinarischen Verköstigungen konnte nach dem steilen, kurvigen und von Weinreben bewachsenen Douro-Tal der kulturelle Abstecher nach Bilbao nicht fehlen. Betactive meets Guggenheim meets Elíasson.

Architektur aus organischen Freiformen
Text und dekorative Elemente auf einer Motorhaube

Der Bilbao-Effekt

In Bilbao durfte vor ein paar Jahren ein alter Bekannter das etwas triste Industrie-Stadtbild mit einem wirklich abgefahrenen Museumsbau aufwerten. Kein geringerer als Frank Gehry (ich glaube er lässt derzeit das „O.“ weg) durfte 1993 der Guggenheim Foundation sein Konzept präsentieren. Nach erstaunlich kurzer Bauzeit von 4 Jahren wurde im Herbst 1997 die Hütte feierlich eingeweiht. Seither hat sich die Stadt durch den gigantischen Kunst-Magneten gewaltig gemausert was auch Bilbao-Effekt genannt wird. Unbedingt sehens- und erlebenswert ist die Innenstadt mit alten Prachtbauten, vielen Geschäften, engen Gassen und unzähligen Pintxo-Bars, obwohl die restriktiven spanischen Corona-Regeln derzeit leider den Spaß schon einschränken. Zu den spanischen Tapas trinkt man am besten Rioja. Das Anbau-Gebiet liegt übrigens unweit von Bilbao. Leider hat der Weg uns, zumindest dieses Mal, nicht dorthin geführt.

Text und dekorative Elemente auf einer Motorhaube
Bunt bemaltes Haus in Türkis und Rot

komplexe Konstruktion

Das Guggenheim Museum selbst streckt sich am Fluß Nervión entlang mit verschiedenen, in sich verdrehten Ebenen, Dächern und Winkeln. Die Struktur des gesamten Baus ist sehr komplex und man findet wenige rechte Winkel – aber es gibt sie. Allerdings ist trotz der fließenden, in sich verschobenen und verdrehten Architektur doch ein klarer Weg durchs Museum zu finden — ganz im Gegensatz zum deutlich jüngeren Pendant in Paris. Auf drei Etagen befinden sich die Ausstellungen.

Aber schon an der Uferpromenade auf dem Weg zum Museum stößt man auf diverse Skulpturen der Superstars aus dem 20 Jahrhundert: Jeff Koons, Anish Kapoor oder Thomas Schütte vorne dabei. Im Erdgeschoß ist eine ganze Halle dem gigantischen, begehbaren Werk von Richard Serra gewidmet. Wow. Gleich mehrere seiner riesigen Stahl-Ellipsen darf man dort durch- und umlaufen. Gegenüber hat einer meiner besonderen Lieblinge einen Raum bespielen dürfen: Jenny Holzer mit einem ganzen Rudel an Lichtlaufbändern, die zum Himmel streben, und ihren einzigartigen Statements. Der gesamte Raum erstrahlt in blau und rot. Mega.

Kupferne gigantische Stahlellipsen
Kupferne gigantische Stahlellipsen
Durchgang mit Kunst an Boden, Wand und Decke
Durchgang mit Kunst an Boden, Wand und Decke
Fahrräder in der Draufsicht
sitzende Menschen bei Kunst-Festival

Guggenheim meets Elíasson

Und auf wessen Kunst treffe ich im 1. OG? Na die des derzeit fast omnipräsenten Ólafur Elíasson. Er ist heute in fast allen großen Sammlungen und Museen zu finden. Da fragt man sich, wie schafft er das? Ein wahres Genie der Selbstvermarktung. Mit seinem mittlerweile rund hundertköpfigen Team, das übrigens in Berlin seine Homebase hat, hat er eine ungewöhnliche Marke geschaffen. Seine Werke sind immer begeisternd und er beschäftigt sich mit der Natur und physikalischen Phänomenen wie Licht, Farben, Wasser, Nebel, Reflexionen und Bewegung.

Dies ist überlagert vom nachhaltigen Gedanken, auf Umweltzerstörung und den Klimawandel aufmerksam zu machen, was ihm meist beeindruckend gelingt. Beispielsweise mit der Bilderserie von isländischen Gletschern und dem schmelzenden Eis oder seinen gefärbten Flüssen. Große Bekanntheit hat auch seine Solarlampe für Afrika in Sonnenblumenform. Er schafft es Kunst und Natur zu verbinden. Mit das bekannteste Werk dürfte die riesige Sonne in der Tate London vor ein paar Jahren gewesen sein.

sitzende Menschen bei Kunst-Festival

Ein Erlebnis

In der Ausstellung in Bilbao sieht man einen Abriss bekannter Werke aus den unterschiedlichsten Schaffensbereichen. Angefangen mit vieleckigen Objekten, Spiegeln, Farbfolien und natürlich Licht, bzw. Lichtobjekte, die phantastische Effekte in den Raum zaubern. In die riesige Mooswand will man sich am liebsten hineinkuscheln. Einen Raum weiter wird es allerdings deutlich feuchter. Nebel steigt auf und Regenbogen spiegeln sich wider. Und wirklich monochrom wird es dann im „Room for one Color“ — ein echtes Erlebnis. Elíasson und das Guggenheim, bei Regen und Corona wohl kaum zu toppen.

Das Guggenheim hat natürlich noch weit mehr an großer Kunst zu bieten, aber irgendwann hat der Hunger gerufen und die Pintxos mit Rioja haben doch auch was verführerisches. Am nächsten morgen ging die Fahrt dann natürlich pünktlich weiter Richtung Frankreich. Bordeaux stand auf dem Plan!

Orange beleuchteter Raum mit Lichtröhren an der Decke
Dutch Design Week Eindhoven

Dutch Design Week Eindhoven

Dutch Design Week 

Eindhoven

Galerie mit Exponaten im Bereich Wohndesign

Lässig, chic und unkonventionell

Eindhoven ist mit rund 230.000 Einwohnern nicht riesig, aber die Dutch Design Week hat sich über die letzte Jahre zur bedeutendsten Design Week Europas entwickelt. Über die ganze Stadt verteilt und mit mehreren Schwerpunkten bietet sie für jeden etwas. Man kann also gar nicht enttäuscht werden. Erwartet werden sage und schreibe 350.000 Besucher in einer Woche. Das tolle ist, dass die Veranstalter mehrere kostenfreie Bus-Shuttle-Linien eingerichtet haben um verschiedene (oder auch alle) Schwerpunkte per Hop-On/Hop-Off  zu besuchen. Insgesamt acht Routen unter anderem mit den Themen „Bio Design“, „Art & Collectables“, „Architecture & Public Space“. Wir haben uns vor allem die zwei Bereiche Downtown und Strijp, das ehemalige Philipsgelände, vorgenommen.

Das für den gemeinen Gestalter besonders auffällige ist, dass die Niederlande generell irgendwie designter sind und häufiger nach unkonventionellen Lösungen gesucht werden. Egal, ob es die gestreiften Ampeln sind, die von Studio Dumbar entworfenen Polizeiautos, oder ob man in ein Ladengeschäft geht — alle haben schicke Logos oder ein lässiges Interior, aber teilweise gewiss auch sehr eigen.

Holzkonstruktion mit Badewanne zum Färben von Stoffen

Einfach spannend

Trotz des unpraktischen Plans der ddw, den es online wie offline gab, haben wir in der kurzen Zeit viel gesehen. Wir haben uns treiben lassen und montag morgens erst mal die Innenstadt zu Fuß entdeckt. Gleich der erste Stop war spannend: Studio Nienke Hoogvliet in der Schellensfabrik im Bleekweg. Hier konnte man sein eigenes Bio-Bekleidungsstück nachhaltig mit Pflanzen und Kräutern färben und später mitnehmen. Besonders das mit einfachen Mitteln pragmatisch und doch spannend gelöste Ausstellungsdesign hat uns sehr gefallen.

Stahlkonstruktion mit bunten Kunststofffolien

Green Energy Mill Tower

Unübersehbar war der GEM Tower schon von weitem. GEM steht für the Green Energy Mill. Der Turm mit Sitzmöglichkeiten ist eine Kombination aus Windrad und Solar-Energie, welche über spezielle, bunte Kunststofffolien eingefangen wird. Er soll ausreichend Energie für Festivals generieren, die ja oft im Sommer auf freiem Feld stattfinden. Macht nicht nur optisch gute Laune!

Raum mit Holzstreben und Holzplatten, in dem ein T-Shirt aus nachhaltigen Materialien hängt

The End is near

Ein kurzes Stück weiter, im „Warehouse of Innovation“ ging es erst mal düster zur Sache. Unter dem Thema „The End is Near“ stellen junge Designer durchgeknallte Klamotten im Endzeit-Look vor und thematisieren dadurch die Fashionindustrie als großen Umweltsünder. Der zweite Teil stellte dann die zukunftsfähigen Materialien vor, wie z.B. Algen, Quallen oder recyceltes Acryl. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und wurden im Bereich Mode, Möbeln, Beschattungen, Bootsbau und vieles mehr gezeigt.

Aufgefallen ist uns hier Wendy Andreu mit ihrem Projekt HARD SELVEDGES für SUNBRELLA — Faser-Abfälle aus der Produktion werden als Rohstoff für neue Materialien verwendet. Basierend auf einem lösemittelfreien Acrylharz sind sie nicht nur widerstandsfähig, sondern haben individuelle neuartige Designs.

Knallbunte Fasern aus Abfällen
weiße Pilze für die Verwendung in der Architektur

Growing Pavilion

Unser nächstes großes Ziel war dann Strijp. In den ehemaligen Philips Produktionshallen gibt es viel Platz für innovative, junge Firmen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Raum für zahlreiche Ausstellungen. Man hätte problemlos mehrere Tage hier verbringen kann. Ein paar Highlights: Schon das Außengelände mit diversen Pavillons lädt zum verweilen ein. Am ungewöhnlichsten ist wohl der GROWING PAVILION von Pascal Lebouq und Krown Design. Die Außenhaut ist komplett aus dem nachwachsenden Myzel von Ganoderma-Pilzen und mit Ästen, Zweigen und pflanzlichen Abfällen „konstruiert“. Wofür der Pilz noch verwendbar ist, z.B. Möbel oder Kleidung, sieht man im Inneren. Wirklich aufregend!

Bunte Pappkartonflächen mit Begriffen zum Thema Produktlebenszyklus

Circular Design

Nebenan im Powerhouse, bei CIRCO lernt man, wie man sehr einfach neue Geschäftsmodelle entwickelt. Circular Design für Produkt- und Materialdesign, nachhaltige Materialien zu schaffen, die am besten nach dem Cradle-to-Cradle Prinzip funktionieren, alles was man dem Kreislauf entnimmt, kann ihm am Ende seines Lebenszyklus wieder zurückgegeben werden.

Skateboard mit einem dicken Rad in der Mitte

Mobilität in der Zukunft

Ein großes Thema auf dem Freigeländer dahinter war natürlich Mobilität. Verschiedene Fahrzeug Konzepte werden vorgeführt und man darf auch selbst den Helm aufsetzen und losflitzen. Zum Beispiel mit meinem Favoriten — dem Onewheel Board. Ein Skateboard mit einem dicken Rad in der Mitte. Cooler kann man kaum durch die Stadt skaten, solange man das Gleichgewicht hält. Nur durch Gewichtsverlagerung beschleunigt man, bremst oder fliegt ins Gebüsch. Mit 25 Sachen. Ka-Wumm. Geil. Übung macht den Meister.

Präsentationstafeln mit verschiedenen Algen in Glasbehältnissen

Raumluft zum Reinbeissen

Mit viel mehr Zeit und Ruhe, geht es bei Hyunsoek Ans Projekt THE CORAL um die Reinigung von Raumluft mit Hilfe von Algen, die man dann auch noch essen kann! Klingt verrückt, ist es auch! Typisch asiatisch! Optisch erinnert die Installation an IKEA, geschmacklich sind die Algen wohl auch eher fad, dafür aber unglaublich gesund und vor allen Dingen ist die Luft dufte! Tolle Idee.

Plattenmaterial aus Holzstaub-Abfällen

New Lignum

Ein weiterer Ort der Dutch Design Week, den wir nicht unerwähnt lassen wollen, war die Kazerne in der Paradijslaan mit allen Nebengebäuden. Eigentlich Hotel und Restaurant, aber gleichzeitig ein Ort für Kunst, Design, Objekte, Möbel und Architektur. Hervorheben möchte ich das Material NEW LIGNUM von den beiden Studenten der Design Academy Eindhoven Ahrenberg & Guzman Olmos, die Holzstaub-Abfälle aus Schreinereien mit Casein mischen, gefärbt wird es durch Oxidation bspw. mit Kupfer und zum Schluss gepresst. Daraus entsteht eine sehr leichte, interessante Optik, die etwas an Pressspan erinnert. Das Ergebnis sind erstaunlich stabile Plattenware oder Formen, die das Studio direkt zu Möbeln verarbeitete. Wenn das Material serienreif ist, würde ich es gerne im Messebau verwenden.

Fondation Louis Vuitton

Fondation Louis Vuitton

Fondation Louis Vuitton

Pour la Création – das Ungetüm

Galerie mit Exponaten im Bereich Wohndesign

Pariser Prachtbau

Der neue Prachtbau von Paris liegt etwas abgelegen im Parc d’Aglimatacion im Südwesten von Paris. Mit der Metro gut erreichbar läuft man je nach gewählter Linie noch zehn bis zwanzig Minuten durchs Grüne. Ein für Kids besuchenswerter Spielpark liegt gleich nebenan. Kommt man nun durch den Wald geschlendert, bäumt sich plötzlich ein gigantisches Ungetüm vor einem auf: die Fondation Louis Vuitton. Wie konnte dieses Raumschiff überhaupt hier landen? An gleicher Stelle befand sich ganz früher eine alte Orangerie und mit dem nötigen Kleingeld ausgestattet, kam es irgendwann zur Genehmigung.

Holzkonstruktion mit Badewanne zum Färben von Stoffen

The Vessel

Der Entwurf von Stararchitekt Frank Gehry nennt sich „Vessel“, zu deutsch Schiff, was durch die segelartigen, vorgehängten Glas-Elemente angedeutet wird. Zu unserem Erstaunen ist der Besucheransturm für einen sonnigen Sonntag Mittag recht überschaubar. Noch nicht mal die wuseligen Asiaten, die King Louis gottartig verehren und vor jedem seiner Konsumtempel artig Schlange stehen, hüpfen hier umher. Liegt womöglich daran, dass es zu dem Zeitpunkt weder Ausstellungen in den elf Galerien, noch Handtaschen gab, aber wir waren ja eigentlich auch wegen der überwältigenden Architektur hier.

Stahlkonstruktion mit bunten Kunststofffolien

11.000 Quadratmeter groß

Nun ja, wirklich überwältigend ist irgendwie anders. Schon die Eingangshalle der Fondation Louis Vuitton ist weder sonderlich gigantisch – was man hätte von außen erwarten können – noch erschließt dem Besucher eine klare Struktur, wo er jetzt entlang muss oder soll. Also dann laufen wir mal los; Treppchen hoch am Klo vorbei zum Gebetsraum. An zwei großen Videowänden kriegt man in andächtiger Stille gezeigt, was man sich gleich in echt anschauen darf. A-ha. Immerhin aus Sicht einer Drone, die durch das noch leerere Gebäude fliegen durfte.

Zudem erfährt man hier die Kennzahlen, damit man weiß wie klein das eigene Heim ist: 12 Glassegel, 46 Meter hoch, 154 Meter lang, 11.000 Quadratmeter groß, 15.000 Tonnen Stahl und 110.000 Tonnen Beton. Und plötzlich wird aus der Vessel ein Eisberg – laut Herrn Gehry, der Kern des Gebäudes. Wie war das mit dem Schiffchen und dem Eisberg gleich? Egal. Letzterer hat übrigens eine Außenhaut aus 19.000 unterschiedlichen, weißen, CNC-gefertigten, Fiberglas-verstärkten Betonplatten. Keine gleicht der anderen, krasse Nummer.

Im Kontrast dazu stehen die Glassegel, welche aus 3.600 einzelnen Scheiben bestehen, mit gleicher Größe, aber unterschiedlich gebogen. Dann kam man auf die Idee, die Glasplatten mit kleinen weißen Punkten zu bedrucken, um den Eindruck einer Wolke zu erwecken (waren es nicht Segel?). Nun, der Effekt erweckt höchstens den Gedanken, dass die Scheiben mal wieder geputzt gehören, da der Blick doch deutlich getrübt wird, wenn er über die Skyline von Paris schweifen möchte – hin zum Eiffelturm oder rüber nach La Défense. Ja, sehen kann man von hier weit, mitten im grünen Park.

Raum mit Holzstreben und Holzplatten, in dem ein T-Shirt aus nachhaltigen Materialien hängt

Komplexe Konstruktion

Weiter nach oben! Nun kann man sich zwischen diversen Treppen und verglasten Fahrstühlen entscheiden, irgendwo gibt es auch noch eine Rolltreppe. Mit dieser gelangt man auf eine der Terrassen-Ebenen um dann letztendlich die Architektur auf sich wirken zu lassen, die Konstruktion zu bewundern und die Ausblicke auf die Stadt zu genießen. Aber im Grunde ist das gesamte Gebäude ein Labyrinth: Man läuft durch Gänge, Treppen hoch und runter und bekommt doch nie einen wirklich freien Blick und sucht auch ein wenig den Sinn dahinter. Die Konstruktion ist in gewisser Weise beeindruckend, so viele Träger, Rohre, Ebenen die Kreuz und quer miteinander verbunden sind, habe ich selten gesehen. Da dürfte so mancher Bauleiter verzweifelt sein. Irgendwie enorm. Was leider ausbleibt ist der Wow-Effekt. Es ist groß. Es ist selten. Vermutlich ist das Ganze etwas interessanter und wird in ein anderes Licht gerückt, wenn Ausstellungen laufen.

weiße Pilze für die Verwendung in der Architektur

Das wahre Highlight scheint woanders

Findet man über eine der vielen Treppen nach unten und durch das Auditorium ins Untergeschoss, vorbei an bunten Farbflächen von Ellsworth Kelly — welche ich ja gerne mag — nach draußen, dann steht man vor einem wirklichen Highlight: Die Installation „Inside the horizon“ von Ólafur Elíasson. Sie begeistert schon durch ihre Dimension mit über 90 Metern Länge — und das Gelb ist phänomenal. Da geht wahrlich die Sonne im Keller auf. Zueinander verdrehte gelbe Farbflächen, die mit Spiegeln kombiniert sind, bringen unzählige Facetten, Spiegelungen und Ansichten wenn man mit den anderen Besuchern dazwischen hindurch huscht. Ein gigantisches Kaleidoskop. Ein Ort zum Verweilen. Toll. toll. toll! Hat sich der Weg also doch gelohnt.

Bunte Pappkartonflächen mit Begriffen zum Thema Produktlebenszyklus
Art Karlsruhe

Art Karlsruhe

SAMMLUNG
PETER C. RUPPERT

KONKRETE KUNST IN EUROPA NACH 1945

ART KARLSRUHE EHRT DEN SAMMLER AUS LEIDENSCHAFT MIT EINER SONDERAUSSTELLUNG

Formen, Farben und Linien wohin das Auge reicht – dargestellt als Gemälde, Skulptur, oder auf Papier. Der konstruktiv, konkreten Kunst wird hier Raum gegeben. Erst im Februar 2019 verstorben, ist die Sonderausstellung „Sammlung Peter C. Ruppert – konkrete Kunst in Europa nach 1945“ auf der art KARLSRUHE eine Hommage an den Berliner Vermögensberater und leidenschaftlichen Sammler. Er hat etwas Beeindruckendes geschaffen. Vor über 30 Jahren mit dem Erwerb von Grafiken begonnen, entstand der Wunsch Rupperts andere Unikate zu besitzen. Daraus ist über die Jahre ein umfangreiches Kunst- und Museumsprojekt entstanden. Wir haben die Messe für klassische Moderne und Gegenwartskunst in Karlsruhe besucht um uns einen Eindruck vom Werk des verstorbenen Kollektors zu machen.

Kunstwerk aus unterschiedlich geformten Vierecken in bunten Farben

GEORGE KORSMIT / 1ST. ABSOLUTE RIP-OFF, 2004

geometrische Formen, die sich ineinander verschlingen in eher düsteren Farben

JEAN DEWASNE / LA CROISÉE DES CHEMINS, 50ER JAHRE

EINE INTERNATIONALE SAMMLUNG

Die Privatsammlung, die Ruppert zunächst alleine, dann mit seiner Frau Rosemarie weiterführte, entsprang in den 1970ern der Faszination für geometrische Klarheit. Nach über drei Jahrzehnten umfasst sie insgesamt 420 Werke von circa 240 Künstlern aus 23 europäischen Ländern. Dabei haben sich die zwei Zentren der Konkreten Kunst, Zürich und Paris, mit Ihren Künstlern durchgesetzt und machen einen Großteil der Exponate aus. Allerdings enthält die Sammlung auch Werke aus südosteuropäischen Ländern, wie Polen, Ungarn oder auch Italien. Als Dauerleihgabe ist die Sammlung im Würzburger Museum im Kulturspeicher zu sehen.

abstrakte Skulptur aus Metall

GERARD CARIS / HELIX 2–2, BRANCHING, 2001

DIE EMANZIPATION DER KÜNSTLERISCHEN MITTEL

Doch was genau versteht man überhaupt unter Konkreter Kunst? Nach dem Zweiten Weltkrieg als europaweite Künstlerbewegung verbreitet, ist sie bis heute aktuell und in Bewegung. Der Begriff „Konkrete Kunst“ ist dabei zunächst irreführend: Er steht im Kontrast zu dem weit verbreiteten Alltagsbegriff „konkret“, der vom Duden als „bestimmt und dabei präzise, deutlich“ beschrieben wird. Denn die vielfältigen ausgestellten Werke haben eines gemeinsam: Sie bilden eben nicht die konkrete Realität ab, sondern lösen sich von der sichtbaren Welt um sie herum.

Dadurch, dass keine Gegenstände oder Personen abgebildet werden, erhalten Farben, Formen und Linien besondere Aufmerksamkeit. Um es in den Worten des russischen Schöpfers Wassily Kandinsky zu sagen: „Die neue Kunst hat den Grundsatz in den Vordergrund gestellt, dass Kunst nur sich selbst zum Inhalt haben kann. (…) Die ureigene Idee der Kunst ist Ihre Gegenstandslosigkeit.“ So suchen die Konkreten Künstler nach Möglichkeiten, das Unfassbare, also die Kunst selbst oder auch System und Struktur, sichtbar werden zu lassen.

DESIGN, RAUM UND KUNST IM EINKLANG

Auch Themen die uns als Messedienstleister betreffen, wie Design und das Schaffen von Räumen, spielen in der Konkreten Kunst eine große Rolle. Die geometrischen Formen gestalten Räumlichkeit und das nicht nur in Form von Skulpturen oder anderen dreidimensionalen Objekten, sondern auch in eigentlich zweidimensionalen Gemälden. Ein Beispiel ist das ausgestellte Werk „Lapidaire“ von Victor Vasarely, dem Meister der optischen Täuschung. Da sich die Gestalter der Geometrie und anderer mathematischer Verfahren bedienen, entsteht eine Schnittstelle zwischen Kunst und Design.

Leo Erb, der vom großen Bauhaus-Pädagogen Johannes Itten lernte, schafft mit seinem „Linienplastik“ eine Symbiose aus Kunst und designerischen Gestaltung. Da die Konkrete Kunst stets als modern und dem technischen Zeitalter entsprechende Kunstform angesehen wurde, ist sie auch für Betactive eine Inspiration. Räumlichkeit, Kunst und Design sind unvermeidlich miteinander verbunden und erschaffen eine ganz besondere Einheit, die mit dem Betrachter kommuniziert.

Gemälde von gestapelten Würfeln mit optischer Täuschung

VICTOR VASARELY / LAPIDAIRE, 1972