WNDR

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Amerika ist WNDR(bar)

Chicago

Spiegelnde, organische Riesenskulptur

Cloud Gate

Nachdem wir bei eisiger Kälte und Sonnenschein natürlich erstmal unter der 100 Tonnen schweren und 20 Meter langen Bohne durchhuschen mussten — dieser glänzende Riesenblob „Cloud Gate“ genannt von Anish Kapoor ist zu jeder Tageszeit faszinierend und ein Besuchermagnet, insbesondere die Spiegelungen der umliegenden Hochhäuser darin. Mehr Selfies werden wohl nirgendwo in der Stadt geschossen. Unmittelbar dahinter befindet sich übrigens der Jay Pritzker Pavillon, ein von Frank Gehry gestaltetes Amphitheater und als Komplementär daneben noch eine verwundene Fußgängerbrücke, deren Design den Schall der Straße abhalten soll.

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WAC Wabash Arts Corridor

Vom Millennium Park aus sind wir erstmal in Richtung des „Wabash Arts Corridor“ um die natürlich riesigen Gemälde austrebender Jungkünstler zu begutachten. Die lebende Leinwand fängt an sich auf Wänden rund um die Gebäude der Wabash Street auszubreiten, ab Monroe / Harrison Richtung Süden, dem „South Loop“. Das Projekt wurde 2013 vom Columbia Collage Chicago initiiert. In Amerika muß ja alles groß(artig)  sein uns die zur Verfügung stehenden Wände sind definitiv riesig. An diesem Tag war es aber so garstig kalt und zugig, dass wir leide nicht weit gekommen sind und uns in ein nicht weiter erwähnenswertes Kaffeehaus mit grünem Logo geflüchtet haben.

Häuserblock mit Graffiti und öffentlichen Verkehrsmitteln davor
Modell eines Stadtgrundrisses mit Videoprojektionen
Modell eines Stadtgrundrisses mit Videoprojektionen

WNDR Museum

Gestärkt mit einer zuckerangereicherten Flüssigkeit mit leichter Kaffeenote und backpulvergedoptem Pumpkinbread sind wir ans andere Ende von Downtown maschiert und haben das nächste Wunder besucht. Das erste großartige, was uns entgegen hüpfte war der Preis. Zu zweit fast 100$. Puhhh. Mit leichter Schnappatmung also rein ins WNDR. Was soll ich sagen es hat schon Spaß gemacht. Man geht einen Pfad durch dieses „Museum für interaktive Kunst“. Man darf alle möglichen immersiven Werke verschiedenster Künstler betreten, betatschen, betanzen und belutschen. Mal mehr, mal weniger verspielt, mal mehr mal weniger interaktiv, mal mehr, mal weniger spannend oder geschmacklich überwältigend. Highlight am Ende des rund einstündigen Parcours ist der „Infinite Room“ von Yayoi Kusama, Lustigerweise (zumindest den Bildern nach) genau der, den wir in Toronto nicht betreten konnten, weil die Warteschlange zu lang war. Wer mal mit seinen Kindern in Chicago ist und den Eintrittspreis nicht scheut kann bei nicht so dollem Wetter in jedem Falle hier einen Besuch wagen. 

Multimedia-Wand mit Knöpfen zum Filtern von Inhalten
Multimedia-Wand mit Knöpfen zum Filtern von Inhalten
Futurium Berlin

Futurium Berlin

Futurium

Berlin

Galerie mit Exponaten im Bereich Wohndesign

Berlin ist immer eine Reise wert

Diesmal stand auf meinem Reiseplan Berlin: wegen eines Kongresses sollte ich in das ESTREL kommen. Eigentlich ein fürchterlicher Klotz in einer wenig attraktiven Ecke, doch das Hotel hat sich gewandelt – fast zu einem kleinen Museum zeitgenössischer Kunst. Schon am Eingang wird man von einer Holzskulptur von Tony Cragg empfangen, gleich daneben steht ein Bronzeguss von Erwin Wurm und in der Ecke hängt ein Gemälde von Jonas Burgert gefolgt von vielen Weiteren. Überraschend! Bevor es zum Futurium Berlin geht, war ich also auf dem Kongress unterwegs.

Auf dem Messestand ist alles soweit gut gelaufen, also war abends noch genug Zeit sich mit einem ehemaligen Mitarbeiter und Freund zu treffen und ab ins Nobelhart & Schmutzig. Definitiv ein gastronomisches Erlebnis. Die Mädels und Jungs hinterm Herd legen größten Wert auf natürliche Produkte, von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben aus der Region, die frei von chemischer oder industrieller Verarbeitung produzieren, um den wahren und vollen Geschmack zu erreichen. Diese servieren sie dann minimalistisch mit höchster Präzision und der passenden Geschichte dazu. Kurz gesagt: SUPERGEIL.

Soviel am Rande. Eigentlich geht es ja an dieser Stelle um ganz was anderes: vor der Heimreise wollte ich morgens noch unbedingt das nagelneu und ganz frisch eröffnete Futurium Berlin besuchen, ganz geschickt gelegen, gleich neben dem Bahnhof.

Holzkonstruktion mit Badewanne zum Färben von Stoffen

WELCOME TO THE FUTURE, MR. PRESIDENT

In Berlin gibt es immer wieder Neues zu entdecken, egal wie oft man da ist. Und weil das frisch eröffnete Futurium so neu ist, wollten da auch andere hin, um genau zu sein der Bundespräsident. Da der Mann so wichtig ist, darf da gleichzeitig kein anderer rein und auch ich (!) musste draußen bleiben. Unverschämtheit. Mein Zug ging kurz nach drei und ab ein Uhr durfte das niedere Volk erst wieder rein. Glücklicherweise ist Eintritt für die ersten drei Jahre frei, sonst hätte ich mich mächtig geärgert. Denn im Futurium Berlin wird soviel Information vermittelt, dass ein ganzer Tag einem knapp erscheint und ich hatte leider nicht einmal zwei Stunden. Also nix wie los!

Stahlkonstruktion mit bunten Kunststofffolien

Würfel, Punkte und Roboter

Das Gebäude des Futurium Berlin von außen ist ein relativ einfallsloser schwarzer Würfel — ob das sinnbildlich für die Zukunft steht? Auf jeden Fall hat der Architekt eine Ecke vergessen und zu dieser geht es rein. Drinnen gibt es erst mal einen Shop mit dem üblichem Museumsplunder, eine Empfangstheke, Garderobe und viele, viele Punkte. Diese ziehen sich durchs ganze Gebäude und erlauben witzige Durchblicke. Ab die Treppe nach oben! Dort wird man von einem kleinen weißen Roboter empfangen, von dem man ein Armband mit Chip zum „Punkte sammeln“ bekommt.

Raum mit Holzstreben und Holzplatten, in dem ein T-Shirt aus nachhaltigen Materialien hängt

Haus der Zukunft

Das „Futurium – Haus der Zukunft“ steht für die Gestaltung unserer Zukunft. Es soll als Forum für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik fungieren. Zu den Partnern und Initiatoren gehören keine geringeren wie das Ministerium für Bildung und Forschung, die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft und das Fraunhofer-Institut. Das Gebäude wurde von den Architekten Richter und Musikowski entworfen. Ausstellungsgestaltung und mediale Bespielung kommen von Art+Com und Schiel Projekt.

Man betritt die eigentlich Ausstellung, indem man auf die rasante Entwicklung unseres Planeten zurückblickt, und sich daraus resultierend Fragen über dessen und unsere Zukunft stellt. Das Ganze wird mit einer geschwungenen Medienwand inszeniert und teilweise auch ganz klassisch dargestellt.

weiße Pilze für die Verwendung in der Architektur

Interaktiver Spaß

Dahinter befinden sich sechs riesige Leuchtwände. Hier werden umfangreich, mit verschiedensten Medien und Beispielen, die Themen Neue Materialien, Energie, Digitale Welt, Roboter, Gene und Medizin. Man kann interaktiv mitwirken bei Fragen „Wie zukunftsträchtig ist mein Beruf?“, „Wofür werden Roboter eigentlich gebraucht?“, „Wer entscheidet welche Daten, wo erfasst werden?“ „Welche Ideen gibt es um unser Energie-Problem zu lösen?“ und vieles mehr. Mit seinem Chip kann man bewerten und sich sicher einige Stunden beschäftigen. iPads mit Augmented Reality-Anwendungen dürfen selbstverständlich genauso wenig fehlen wie der schreibende Roboter. Spannend aufbereitet für jedes Alter.

Bunte Pappkartonflächen mit Begriffen zum Thema Produktlebenszyklus

spannende Themen

Ganz anders dann in der hellen „Spielecke“. Sie lädt zum Verweilen ein, man kann sogar schaukeln, sich auf ein Sofa fläzen und einfach nur die Aussicht genießen oder mit den Themen Handel und Ressourcen, Zeit, Konsum und „Minifabriken“ auseinandersetzen. In großen kubischen Räumen werden im Futurium Berlin die Themen installationsartig und an vielen anschaulichen Beispielen aufbereitet: „Welche Rohstoffe stecken in einem Auto?“, „Wer verdient was an einem T-Shirt?“ oder „Welche Wege legt eine Jeans zurück?“. Sehr schön gelöst und auch hier wieder eine riesige Informationsflut. Künstlerisch beeindruckend nimmt Sonja Alhäuser mit „Fragment II“ Stellung zum Thema Hunger und Wohlstand anhand einer großartigen Margarine-Skulptur!

Skateboard mit einem dicken Rad in der Mitte

Fliegende Kraftwerke

Der nächste Hingucker ist die raumeinnehmende, gigantische Holz-Skulptur „Neo-Natur“. Sie wurde nach einem Prinzip des Mathematikers Ludwig Danzer entwickelt, ist 8 Meter hoch, besteht aus 16 Modulen und 4500 Verbindern und wurde mit Hilfe von Augmented Reality montiert. Sie beschreibt Quasikristalle in denen Atome in aperiodischer Struktur angeordnet sind. Hui. Hört sich verrückt an, ist es auch!

Dieser Bereich der Ausstellung beschäftigt sich mit dem Thema Energie, wie man mit „fliegenden Kraftwerke“ oder „Algen unser Energieproblem lösen kann?“. An einem tollen Modell wird die Idee der Kreislauffabriken gezeigt: „Kann unser Abfall etwas Neues werden?“ Es werden neue Materialien für Flugzeuge oder zum Bauen und Wohnen in grünen Gebäuden vorgestellt und es geht um die Naturgewalt Mensch. Auch diese sind wieder super aufbereitet und der Schreiner hat ganze Arbeit geleistet. Wow. But tooooo much Information im positiven Sinne, tragisch ist nur wenn die Zeit rennt und der Zug schon am Gleis wartet.

Präsentationstafeln mit verschiedenen Algen in Glasbehältnissen

Auf dem Dach

Schnell noch die Treppe hoch: Vor mir steht die eher alberne Zukunftsmaschine: Nun hat man ja die Möglichkeit an diversen Stellen in der Ausstellung Dinge zu bewerten und mit seinem Chip am Handgelenk abzustimmen. Dann kann man diese „Punkte“ an der sogenannten Zukunftsmaschine im Zwischengeschoß über der Ausstellung einlösen und bekommt dafür sein ganz eigenes Zukunftsbild erstellt. A-ha … nun-ja. Ähhhh, weiter!

Die pinke Treppe hoch aufs Dach des Futurium Berin zum Skywalk. Eine witzige Idee, um ein wenig zeitgemäßes Bauen auch real zu sehen. Hier kann man eine Runde über das Niedrig-Energie-Gebäude drehen um zwischen Photovoltaik- und Solarkollektoren Ausblicke auf Spree und rüber zur (Noch-)Kanzlerin zu genießen. Ein paar mehr Informationen zum Gebäude und der Technik wären interessant. Vielleicht habe ich sie zwischen all den Informationen aber auch einfach nicht entdeckt.

Plattenmaterial aus Holzstaub-Abfällen

Futurium Lab

Einen letzten kurzen Blick werfe ich ins Untergeschoß, das Futurium Lab: Dort finden Workshops rund um den 3D-Druck statt, und man kann neue Werkstoffe kennen lernen. Wem der Kopf noch nicht qualmt darf auf Bildschirme starren, kann in Büchern schmökern oder ganz einfach zum krönenden Abschluss etwas Kunst genießen. Und da sind wirklich ein paar mega Installationen aus dem Weltraum gelandet, wie die „Noosphere“ von Philip Beesley oder „The Outside Inside“ von Johanna Schmeer. Es lebt!

Das Futurium Berlin lohnt sich also definitiv, nix wie hin und viel Zeit mitbringen. Sonst hat Berlin zum Glück ja wenig zu bieten. Meinen Zug habe ich übrigens gekriegt. Pünktlich war er auch an Start und Ziel. Es klappt doch mit der Bahn.