Vienna Design Week

Vienna Design Week

Design Week

in Vienna

Am ersten Tag unseres zweiten Kurztrips nach Wien in diesem Jahr stand ein Besuch auf der Design Week an. Wir sind immer ganz gespannt, was für Ideen, Produkte, Materialien, Projekte andere Designer und gestalterisch tätige Unternehmen kreieren. Im Grunde ist die Design Week über die gesamte Stadt Wien verteilt, viele Büros, Ateliers, Geschäfte haben daran teilgenommen. Von kleinen Designbüros oder Manufakturen bis hin zu global Playern wie RADO oder IKEA — entdecke die Möglichkeiten. Letztere fungieren natürlich auch als Sponsoren. 

Auf der Baustelle

Mir hat ja schon die „Main Location“ an sich gefallen, etwas außerhalb gelegen und brillanterweise auf einer Baustelle! Wien stampft da gerade einen kompletten, neuen Stadtteil aus dem Boden. Da sind natürlich einige Gebäude mehr und weniger weit fertiggestellt. Eines davon erstreckt sich gefühlt über einen halben Kilometer entlang der Stadtautobahn und ist aus dem gröbsten Rohbau raus. Die Gipskartonwände sind gespachtelt, der Estrich liegt und auch Fenster und Türen sind schon voll funktionstüchtig, ebenso wie Treppengeländer. Hier gibt es also genügend Räume für eine temporäre Ausstellung. Perfekt!

Und auf dem Dach gab es gleich eine beeindruckende Installation: eine Photovoltaikanlage aus hochmodernen, wenige Millimeter starken Glaspaneelen, die sich quasi frei schwebend über die gesamte Gebäudelänge erstreckten und dort gleichzeitig als Schattenspender auf den Dachterrassen fungieren. Jetzt kommt der Knaller: die SoliTek-Module sind extrem nachhaltig, erfüllen den Cradle-to-Cradle Gold-Standard – grüner geht (fast) nicht – und kommen auch noch aus Europa. 

Blick über das Dach eine großen Gebäudekomplexes mit Photovoltaikmodulen
Ausstellungswand auf der Vienna Design Week mit verschiedenen Produkten

Die umfangreiche Ausstellung zeigt im Fokus die österreichische Designszene und macht die Gestaltungsansätze an mehr oder weniger konkreten Produkten sichtbar. Im Vordergrund stehen dabei Form, Funktion, Nachhaltigkeit, Ästhetik und Materialität.

Fantastisches Plastik

Dann sind wir auf ein tolles Material mit dreidimensionaler Wirkung gestoßen, das aus recyceltem Material besteht und wiederum voll recyclebar ist. Diese FANTOPLAST Paneele könnten wir uns gut im Messebau vorstellen, nicht nur als Plattenmaterial sondern auch verformt – bedruckt werden kann es obendrein. Nur günstig ist es nicht. Aber irgendwas ist ja immer. 

Kunststoff-Granulat
Recyceltes Plattenmaterial aus Kunststoff auf einem Tisch

Träsh?

Unsere Lieblinge aus der Kategorie Fokus Trash Made in Vienna sind Louis Funkes Kronleuchter und Virginia Jakims Stehlampe. Lustig anzuschauen und 100% Upcycling. Dazu gehören auch die verrückten Möbel — EXQUISITE CORPSE — von Barbara Gollackner und Eldine Heep in der Tradition französischer Surrealisten. Die abgefahrenen Vasenkreationen, bei deren Entwurf Maruša Mazej vermutlich beim Besuch des letzten Polterabends inspiriert wurde, dürfen in unserer Aufzählung nicht fehlen.

Leuchte in Form einer rosaroten Blume ausgestellt auf der Vienna Design Week
Kronleuchter aus Plastik-Müll
Glühbirne auf rundem Holzbrett als Leuchte
Verrückte, violette Vasen, die teilweise zerstört sind

Innovative Baustoffe

Ziemlich krasse Materialien bringen BIOFABRIQUE VIENNA gemeinsam mit Atelier LUMA (LUMA Arles) an den Start: Mit neuen Denkansätzen wollen sie innovative Materialien schaffen bspw. aus Abfall und am besten lokal produziert. Dieses bioregionale Pilotprojekt wird von der TU Wien unterstützt. Entwickelt werden Baustoffe wie Ziegel, Paneele, Lasuren und Keramiken. 

Materialmuster von Baustoffen, die zum Teil aus Abfall bestehen
Installation aus Holzstäben und einem papierbasierten Baumaterial

Eine recht progressive Installation namens „Spielraum“ hat Half Forms gezeigt – mit dem Ziel, dass die Besucher sich dem papierbasierten Baumaterial „Vulkanfieber“ spielerisch nähern können. Insbesondere zum Klettern regt es an. Eltern haften für ihre Kinder. 

Eine Vielzahl an Ateliers und Manufakturen

Ein weiteres Highlight sind die Lampen von HELLER & DIMMER aus deren Leuchtenmanufaktur. Um damit nur einige wenige der unzähligen Projekte vorzustellen.

Umfangreichere Einblicke gibt es über die Website der Vienna Design Week. Und das Tollste dabei sind die Eindrücke aus den jeweiligen Ateliers, die über die Stadt verteilt sind. Besonders begeistert hat uns hier FEINEDINGE, eine Porzellanwerkstatt in Wiens 4tem Bezirk. Filigrane Werke aus feinstem Porzellan, da muss man einfach mal reinschauen und staunen, der Elefant sollte aber zuhause bleiben.

Leuchten an schwarzen Schnüren aufgespannt

London Calling

London Calling

London calling

Kunst bis der Kopf raucht

Mit der höchsten Dichte an Museen ist London führend in Europa. Aber auch sonst eine Reise wert. Das letzte Mal war ich vor über 10 Jahren dort und seither ist viel passiert. Unter anderem hat der Brexit Spuren hinterlassen. Als Besucher war London schon immer teuer. Die Hotelpreise sind nochmal gestiegen, die Qualität leider nicht. Aber London hat ja mehr zu bieten und schlafen kann man schließlich auch zu Zuhause.

Nachdem für uns der September und Oktober vollgepackt mit Messen in verschiedenen europäischen Metropolen ist, fühlt es sich an wie Inselhopping. Diesmal ging es von Hamburg für zwei Tage nach London. Größer konnte der Kontrast nicht sein, Hamburger Hauptbahnhof mit warmem Spätsommer Wetter und leider viel Elend. Kurz darauf Ankunft in der fast leeren, nostalgischen Paddington Station bei Regenwetter. 

Bis auf das Wetter zeigte sich London von seiner schönsten Seite. Läden, Cafés, Restaurants, Pubs und Bars teils traditionell, teils modern, meist sehr innovativ. Das kulturelle Angebot steht dem kulinarischen in nichts nach. 

Designer-Maker-User

Zum Einstieg ging es erstmal in das Design Museum, das schon architektonisch beeindruckt. Im Obergeschoss wird die Ausstellung mit dem Titel Designer-Maker-Usergezeigt. Etwas überladen aber sehr wertschätzend unserer Arbeit als Designer gegenüber. Dass die Firmen Braun und Apple Design-Ikonen sind, weiß mittlerweile jeder. Aber hinter wievielen Prozessen und alltäglichen Dingen ein kluger Kopf steckt, wird jedem Besucher schon nach den ersten Metern klar.

Spannende Architektur mit Lichteinlässen knapp unter dem Dach

Das Museum selbst schreibt über die Ausstellung

„Design is a process carried out by people, for people. At its heart is a dialogue between three key people: the designer, the maker and the user. This exhibition invites you to explore design from the perspectives of all three. It shows how designers respond to the needs of makers and users, how users consume and influence design, and how revolutions in technology and manufacturing transform our world.

The exhibition draws on the Design Museum’s collection of objects to help us think about a wide variety of designed products – including many that will be familiar – in new and revealing ways.“

Alltagsgegenstände an einer Ausstellungswand
Logo vom Moco Museum in London auf einer Glasscheibe

Moderne Meister im Moco

Da „immersive Experience“ gerade in aller Munde ist mache ich mich als nächstes auf den Weg zum Frameless, die größte permanente multisensorische Erfahrung in Großbritannien. Aber irgendwie haben mich der Eintrittspreis und der Blick durch das Schaufenster nicht überzeugt. Schiele habe ich schon in Wien gesehen, Monet und Dalí mich nicht vom Hocker gerissen.

Das neu eröffnete Moco Museum nebenan war doch eher meins. Auch wenn der Eintritt ebenfalls nicht günstig ist. Von außen sieht man schon, was einen erwartet: „Ikonische Werke von berühmten modernen und zeitgenössischen Künstlern und aufstrebenden Stars“ so steht es zumindest auf deren Webseite.

Zeitgenössische Künstler

„Warhol, Haring, Banksy, Basquiat. Kusama und mehr! Eine Reise durch die Werke der legendärsten Meister, die die Kunstgeschichte neu definiert haben.“
Sie alle haben ihren Platz bekommen. Bereits im Erdgeschoss wird man erschlagen von großformatigen Werken und Namen, unter denen auch Damien Hirst, Jeff Koons und Tom Wesselmann vertreten sind. Hat man bisher keinen Ahnung oder keinen Überblick zu den zeitgenössischen Künstlern, dann spätestens jetzt.

Blick in Ausstellungsraum mit zwei großformatigen, farbenfrohen Bildern an der Wand

Überraschung

Etwas zu viel Namedropping meiner Meinung nach, daher bin ich froh auch mal im Obergeschoss und Untergeschoss den einen oder anderen mir Unbekannten zu treffen. Wobei: Surprise, surprise, wer kennt ihn nicht? Robbie Williams macht jetzt auch Kunst. Ich finde seine hier ausgestellten Kassetten ja witzig! Seine erste Einzelausstellung ist noch bis Ende Oktober in Amsterdamer Moco zu sehen.

Farbenfrohe Bilder von Kassetten an Museumswand
Großformatiges Bild mit kleinen lachenden Blüten

Superflat Art Movement

Direkt daneben hängen in London die Werke von KAWS, Julian Opie, Banksy und dem ganz großartigen Takashi Murakami. Mit dem raumeinnehmenden Panorama wird der japanische Künstler seiner Vorreiterrolle der Neo-Pop Generation „Superflat“ mehr als gerecht. Natürlich dürfen auch die Queen und Sir Elton John von Chris Levine in der britischen Hauptsdtadt nicht fehlen.

Goldene Skulptur in einem Museum in London
Bunte, bearbeitete Bilder von der Queen
Knallrotes Portrait den Musikers Elton John auf goldenem Hintergrund

Brasilianisches Künstler-Duo

Etwas versteckt ein Werk der brasilianischen Zwillinge OsGemeos in dem man ihre telepathische Art zu arbeiten erkennen kann. Jeder hat an einem Ende angefangen und sie treffen sich in der Mitte. Markant sind die gelben Gesichter und die kulturellen Einflüsse und Geschichten in ihren Fabelwesen. 

Buntes Gemälde, das von links und rechts ausgehend mit Figuren bemalt wurde, ausgestellt im Moco in London

Atmosphärische Kunst

Im Untergeschoss wird es dann etwas dunkler, ganz in schwarz gehalten finden sich hier NFTs mit szenischer Kunst auf einer Ebene. Ich könnte stundenlang die Atmosphäre des „Lunar Garden“ von Daniel Arsham genießen. Sein Zen Garten in rosa Mondlicht getaucht wirkt so beruhigend und man fühlt sich zeitlos in einer anderen Welt. Aber auch das Spiegelkabinett von Anthony James zieht einen magisch an. Seine Solar Blacks aus Stahl und Glass und LEDs lassen einen Raum und Zeit verlieren. So stelle ich mir den Weltraum vor.

Zen Garten mit Baum und Spuren im Sand in Rosa getaucht

Non-fungible Tokens

Einen kurzen Blick noch auf die NFTs bevor mir den Kopf platzt. Witzig, politisch und teils abstrus, aber alles ist möglich und auch diese Kunst hat den Platz in der Ausstellung verdient. Das Moco selbst schreibt dazu:

„Non-fungible tokens (NFT) are crypto-assets that record the ownership of digital items. NFTs are on blockchain, a type of database where information is stored in blocks. Once the block is filled it’s lined to another, which makes it nearly impossible to hack or cheat the system. NFT’s are unique and rare items that cannot be easily reproduced. Even though anyone can vies or download them, only the buyer can claim ownership. Are NFTs a cryptocurrency like Bitcon? The answer is no. However, they do use the same technology that powers cryptocurrency-blockchain. NFTs have changed the way we buy and sell, and now, it’s the future of digital art! So, when it comes to what can be created and sold as an NFT… the limit does not exist.“

Unterwegs im Outernet

Nach diesem Zwischenstopp stolpere ich dann doch über die aktuell laufende sehr coole „immersive Experience“ Outernet London. Laut der Webseite mit der weltgrößten Videowall im The Now Building.

Ob größte oder nicht, eigentlich egal. Waaaahhhhhnsinnig beeindruckend auf jeden Fall. Ab 10 Uhr morgens bis in die Nacht hinein kann man in unterschiedliche Welten eintauchen – ob Palast oder abstrakte Klötze, die auf einen zurasen, man ist mittendrin statt nur dabei. Mit dem Gebäude Now Trending und der angrenzenden Passage geht es weiter. Bunte Farben, Fabelwesen, Meerestiere und vieles mehr, man muss es erlebt haben. Auch über den Winter werden die Locations von Outernet von zahlreichen Musikveranstaltungen bespielt, ob die dann ihre eigene „Bühnenshow“ in 3D haben? Keine Ahnung, dafür war die Zeit zu knapp.

Aber ich bin mir sicher, London ich komme wieder!

Firelei Bâez @ Louisiana

Firelei Bâez @ Louisiana

Firelei Bâez

@ Louisiana

Skulpturale Darstellung eines Sprungbretts, das durch das Fenster in den Außenbereich ragt

Erster Mai, strahlender Sonnenschein, skandinavische frische Brise, los geht es von Kopenhagen Richtung Louisiana. Eine tolle Fahrt am Meer entlang mit enttäuschender Frühstücksunterbrechung, aber irgendwas ist ja immer. Wir kommen kurz nach 11 Uhr auf dem bereits ziemlich gefüllten Parkplatz an. Krass denken wir, da die Pforten gerade mal vor wenigen Minuten geöffnet haben. Aber die Lage ist relativ entspannt, das Areal riesig. Es verteilt sich und die meisten scheinen zum Frühstücken erstmal ins Restaurant zu gehen.

Skulpturen in einem grünen Park

Ein toller Park am Meer, die vielen würfelartigen Gebäudeteile purzeln um einen herum und dazwischen stehen nett platzierte Skulpturen. Alles von Rang und Namen. Henry Moore, Roy Lichtenstein, Alexander Calder, Joan Miro, Max Bill und zum Auftakt steigen wir direkt in den Spiegelwürfel von Yayoi Kusama. Voll gefläsht stolpern wir weiter durch den Park und kommen vor William Kentridges aufwendiger, raumgreifender Installation wieder auf die Füße. Da geht es echt ab. Als Mannheimer muss man nicht soweit fahren: im Dachstübchen der Kunsthalle ist er auch zu finden. Er hat übrigens gerade den Folkwang-Preis erhalten. Aber zurück zu Louisiana.

Wer hat denn das hier hingestellt?

Der ursprüngliche Besitzer der alten Villa hatte drei Ehefrauen, alle hörten auf den Namen Louise. So hatte er sein Anwesen dann irgendwann Louisiana getauft. Den Namen hat der Nachbesitzer und Gründer des Museums Knud W. Jensen beibehalten. Er war kunstbegeisterter Unternehmer und startete nach dem Verkauf des Unternehmens den Bau des Museums, welches er 1958 eröffnete und lange kuratierte. Die Gebäude wurden über die Jahre erweitert, geschickt in den Hang gebaut und die Ausstellungsflächen sind sowohl über, als auch unter der Erde. Es gibt tolle Ausblicke, innen wie außen.

Großer Baum umringt von Pflanzen neben Gebäudeteilen
Langer Flur aus Holz und Metall mit großen Fenstern, der Ausstellungsbereiche miteinander verbindet

Kern der Sammlung mit mehr als 3000 Kunstwerken sind im Grunde die großen „Blue Chips“ nach dem zweiten Weltkrieg von Anselm Kiefer bis Andy Warhol. Mittlerweile ist das Museum eine Stiftung und wird durch Spenden und aber auch vom dänischen Kultusministerium unterstützt. Es ist das wichtigste Museum für zeitgenössische Kunst in Dänemark. Und es gibt natürlich Sonderausstellungen mit jungen Künstlern. Ebenso gibt es ein Literaturfestival.

lange, dürre Skulpturen in einer Ausstellung

Trust memory over history

Trepp’ auf Trepp’ ab, ein halbes Fitnessprogramm hat man absolviert, wenn man Louisiana durchläuft. Vorbei an einer großen Sammlung von Giacomettis wunderbaren Skulpturen, langen Gängen und gigantischen Bäumen bis wir zur ersten Ausstellung von Firelei Bâez in Europa kommen.

Blick von oben in Ausstellungsraum mit dünnen, langbeinigen Skulpturen und Blick ins Grüne durch ein riesiges Fenster

Firelei Bâez stammt aus der Dominikanischen Republik und ist ab ihrem neunten Lebensjahr in Miami aufgewachsen. Sie hat in den USA Kunst studiert. Ihre kraftvollen Arbeiten sind Mischtechniken die aus Archivmaterial, wie Büchern, Kopien oder großformatigen Landkarten, entspringen. Auf diesen arbeitet sie abstrakt und figurativ mit meist kräftigen Farben, die scheinbar aus dem darunterliegenden Material herausfließen. Sie verarbeitet die gewaltvolle Geschichte der Zerstreuung der schwarzen Bevölkerung über den Planeten, gepaart mit karibischer Mythologie, persönlichen Einflüssen bis hin zu Science Fiction. Bombastische, vielschichtige, kleine wie große Werke, die nachhaltig beeindrucken. Wir waren begeistert.

Bunte Mixed Media Art auf übermalten Archivbildern
Knallpinkes Bild mit Trauben und Haarsträngen auf einem alten Dokument
Ausstellungswand mit bunten Zeichnungen und übermalten Dokumenten

Nach diesem mehr als empfehlenswerten Besuch ging es mit der Fähre über den Øresund nach Schweden und zu einem ziemlich begeisternden Abendessen mit Blick aufs Meer.

Zhanna Kadyrova

Zhanna Kadyrova

Zhanna Kadyrova

UNEXPECTED

Aufgefallen war uns das Plakat schon zwei Tage zuvor, aber wir hatten vier desinteressierte Amerikaner im Gepäck die nicht zu einer unerwarteten Kunstausstellung in der Tschechischen Philharmonie passten. Schließlich hatten wir aber die Zeit – die Amis sind shoppen – doch mal genauer zu schauen. Und so führte uns unser Weg ins Gebäude, „Rudolfinum“ genannt, und in die sich darin befindende gleichnamige Galerie. Mit kostenfreiem Zutritt. Die Hürde war also nicht besonders groß!

KRIEG!

Die ukrainische Künstlerin Zhanna Kadyrova arbeitet in der Ausstellung den unerwarteten und heimtückischen Überfall Russlands, am 24. Februar 2022, auf die Ukraine auf. Unerwartet wird das Land verwüstet, unerwartet Häuser zerbombt, unerwartet schlagen Granaten ein, unerwartet werden Menschen zu Flüchtlingen. UNEXPECTED.
Ausstellungsraum mit weißem Raum in Raum
Vier gezeichnete Portraits an Wand
Einschussloch in Asphaltplatte als Kunst

Ungerecht

Auch Zhanna Kadyrova wird unerwartet zum Flüchtling. Im Dorf Berezovo in den Karpaten findet sie Zuflucht. Sucht nach Antworten, will weiterhin Kunst machen und damit ihr Land unterstützen. Sie will mit ihrer Kunst auf den Krieg und die große Ungerechtigkeit, die Land und Leute unerwartet heimsucht, aufmerksam machen.

Zerstörung so weit das Auge reicht

Wenn man die Ausstellung betritt, weiß man im ersten Moment noch nicht was einen erwartet. Da stehen weiße, geometrische Formen im Raum mit Schusslöchern, an den Wänden weiße und schwarze Kacheln, auch mit Schusslöchern und Rissen. Hmmm. Im nächten Raum rechteckige große Asphaltstücke — aus der Straße geschnitten mit Einschlaglöchern von Granaten. Es dämmert. Zeichnungen von Gesichtern daneben. In einem Raum im Raum liegen große Kiesel-Steine, in Form von Broten, davon Scheiben heruntergeschnitten. Diese „Brote“ verkauft Kadyrova um die Menschen in ihrer Heimat zu unterstützen.

Steinerne Brote teilweise aufgeschnitten als Kunst-Skulpturen
Skulpturen und Wandbilder in geometrischen Formen mit Einschusslöchern
Einschüsse auf quadratischen und runden Platten
Namen von zerstörten kulturellen Einrichtungen an einer Ausstellungswand

Durchlöchert

Im nächsten Raum stehen die Namen von kulturellen Einrichtungen an der Wand, die durch den Krieg zerstört wurden. In einem weiteren Raum, dieser ist abgedunkelt, steht ein kleines Haus. Darin ein riesiger Kronleuchter. Hell erleuchtet. Das Licht fällt durch die von Einschüssen durchlöcherten Wände nach außen und hinterlässt sein Lichterspiel an der Wand. Schön schaurig, unerwartet.

Kunst-Installation eines im Krieg zerstörten Hauses mit Einschusslöchern und Licht das nach außen dringt

Hoffnung

In einem weiteren Raum stehen Leuchtwände mit Bildern aus verlassenen Häusern, die einen erfassen, nicht nur durch das helle Leuchten. Verlassen, verwelkt, unerwartet. Doch dann, man geht weiter — es grünt! Kadyrova hat auf ihren Reisen durch die zerstörten und verlassenen Gebiete Pflanzen gesammelt, die es geschafft haben zu überleben. Ein Symbol. Auch unerwartet. Diese Pflanzen geben Kraft weiter zu hoffen, dass ein Ende des Krieges kommt und die Menschen wieder eine Perspektive bekommen. Hoffen wie es!

Verlassene Häuser auf Leuchtwänden
Grünpflanzen in einer Ausstellung

Unterstützenswert

Zhanna Kadyrova wurde 1981 in der Nähe von Kiew in der Ukraine geboren. Dort lebt und arbeitet sie zur Zeit. 1999 hat sie ihren Abschluss an der Staatlichen Taras-Schewtschenko-Kunstschule gemacht. Sie hat mehrere Kunstpreise gewonnen, auch in Miami, und vertrat auf der 58. Biennale in Venedig ihr unerwartet zerstörtes Land. Sehens- und unterstützenswert!

artKarlsruhe 2024

artKarlsruhe 2024

artKARLSRUHE

2024

Nachdem wir die letzte ART hier geschwänzt haben, war es mal wieder Zeit Richtung Karlsruhe zu fahren. Wie wirklich immer schien die Sonne, blauer Himmel und ein abartig kalter Wind pfeift uns durch die Glieder auf dem Weg vom Parkplatz zur Messehalle. Mein lieber Schwan. Drinnen ist es dafür dann so richtig kuschlig warm, viel zu warm — hallo! Klimawandel! Merkt ihr nix? 2 Grad weniger wären völlig ausreichend.

Acrylbild auf Leinwand das ein gelbes Auto neben Schienen zeigt

Nun gut. Als alte Schlauberger dachten wir, heute fangen wir hinten an, in Halle vier. Ändert nichts die Messe ist links wie rechts, vorne wie hinten gut besucht. Aber dafür haben wir gleich einen alten Bekannten getroffen. Der erste Stand für uns, Herr Zimmermann mit der Galerie Z. Stolz hat er uns einen neuen Künstler unter seinen Fittichen präsentiert: Gustav Sonntag, ein Leipziger Schüler mit frechem, schnellen Strich, der Momente wie Photographien auf Leinwänden festhält, ohne Rahmen. Stilmittel oder Sparmaßnahme wegen der drohenden Rezession? Wir sind sicher: ersteres!

Direkt in der gleichen Halle noch ein bekanntes Gesicht: Frau Klüber und ihre Tochter von der gleichnamigen Galerie Klüber in Weinheim. Zum ersten Mal auf der Messe mit einem Stand vertreten, wir drücken die Daumen, dass es ein Erfolg wird. Unsere Lieblingswerke waren diesmal nicht darunter.

Aber wenige Meter weiter begeistert uns Gallery Uhlig mit einigen Werken von Christoph Rodes traumartig wirkenden, fragmentartigen, irrealen Szenen. Spannend. Später sehen wir ihn nochmal bei Rodler Gschwenter Gallery. Der Mann ist gut im Geschäft!

Knallbuntes Werk von Denyse Thomasos
Kunstwerk auf der artKarlsruhe das eine Innen- und Außenszene zeigt die ineinander verwoben sind
bunte, plakative Kunst mit Abbildungen von Menschen von Joséphine Sagna

Richtig pop-punkig sind die großen, frechen grafik-artigen Malereien von Joséphine Sagna. Zu sehen bei Schacher — Raum für Kunst. Frei nach „Ein Plakat ist eine Fläche, die ins Auge springt“.

Ob Pieter Obels wohl Bahnfahrer war und einfach nur die Schnauze voll hatte von all den Streiks und Unwegsamkeiten der Deutschen Eisenbahn? in jedem Fall hat er einen ganzen Bereich für seine abgefahrenen rostigen Skulpturen bekommen. Könnte ich mir in unserem Vorgarten gut vorstellen, muß allerdings noch etwas sparen. Vertreten wird Pieter von Galerie Drees aus dem hohen Norden.

rostige, in sich verschlungene Skulptur von Pieter Obels
textile Skulptur in Rot von Corinne Riepert

Bei den noch studierenden Jungkünstlern sind Corinne Riepert mit ihren kuriosen Näharbeiten und Laura Benz mit abstrakterem Malwerk im Gedächtnis geblieben — mal schauen was da noch so kommen wird in Zukunft. Dran bleiben, Mädels! Bravo.

Acrylbild auf Baumwolle mit giftgrünen Formen auf rotem Hintergrund

In der nächsten Halle ging es dann Schlag auf Schlag mit großen Namen. Tony Cragg mit seinen außerirdischen Skulpturen. Erwin Wurm und Gottfried Helnwein, zwei Gegensätze und beide weltberühmte Österreicher, vertreten von Kovacek & Zetter aus Wien. Ersterer immer mit viel Humor und häufig menschgewordenen Utensilien, fetten Autos und den 1-Minute-Sculptures. Dazu Zweiterer immer verstörend und ultrarealistisch, sein Scorpions-Cover kennt wohl niemand nicht.

organische Metallskulptur in der sich Raum spiegelt
rotes, fettes Auto im Vordergrund und Gemälde an der Wand im Hintergrund
dreidimensionale Formen in zartem Lila

Die Mannheimer Versicherung hat sich gleich mehrere Werke vom Shootingstar der Kunstszene Jaana Caspary unter den Nagel gerissen und präsentiert selbige ganz museal. Wer hat der kann. Und Frau Caspary kann viel. Vielseitig, spannend und in Perfektion ausgearbeitet auf Leinwand oder in 3D.

Jetzt wird es zum Schaudern komisch. WTF geht bei Juliane Hundertmark ab? Ganz schön cräzy, was Galerie KK da zeigt. Zum Glück gab es gleich nebenan lustige Werke von Hartmut Kiewert, die gute Laune war zurück.

Bild mit gruseligem Kopf auf der artKarlsruhe
skurriles Bild einer Strandszene mit gigantischem Aufblasflamingo und Wildschweinen
Kunstwerk aus Computerschrott, das eine Stadt von oben zeigt

Ganz anders aber sehr beeindruckend ist der zu Stadtbildern aus Vogelperspektive umfunktionierte und geschickt inszenierte Computerschrott von Trak Wendisch. Der Schattenwurf führt es zur Perfektion. Sehr cool.

Zu guter Letzt, die Birne ist schon weich und brummt von all den bunten Meisterwerken, treffen wir noch einen anderen alten „bekloppten“ Bekannten. Kinki Texas, ein Autodidakt laut seiner Art Gallery Alessandro Casciaro, der wohl in seiner Jugend zu viel Lucky Luke konsumiert hat und drauf hängen geblieben ist. Immer wieder kurios und irgendwie im Gedächtnis bleibend.

In diesem Sinne: bis zum nächsten Mal ….

Kunstwerk mit zwei lachenden Pferden und zwei grinsenden Cowboys darauf