WDNR

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Die BUGA

Ganz SCHÖN teuer

Eingang Spinelli zur BUGA Mannheim

Der nachhaltige Weg dahin

Samstag morgen 9 Uhr, die Frisur sitzt. Mit dem Rad geht also es zur 14 km entfernten Bundesgartenschau in Mannheim, kurz „BUGA 23“. Was uns auffällt ist, dass eigentlich die Radwege hierzulande ganz gut markiert sind, überall auf dem Acker gibt es Schildchen wo es lang geht. Nur zur BUGA kein einziges, da weiß man wohl wo es lang geht. Haupteingang Spinelli ist ja klar … Ziel erreicht. Bedeckt. Frisur sitzt. 

Das Spinelli Gelände

Nach kleineren Komplikationen an der Kasse sind wir drin! Und es war überschaubar viel los, ein paar Rentner sind hier und da etwas missmutig durch die Rabatten gestiefelt, sonst war noch wenig los. Noch frisch und aufnahmefähig war unser erstes Ziel die Ausstellungshallen. Das Spinelli-Gelände war einer der größeren US Army-Stützpunkte hier in der Region. Nun seit einigen Jahren von den Amis verlassen, hat sich die Stadt entschlossen das Gelände zu integrieren und geschickt die Bewerbung zur Bundesgartenschau dafür genutzt. Die Hallen sind also Überbleibsel aus dem kalten Krieg, als die Amerikaner hier noch Panzer im Kreis gefahren und poliert haben. Wer übrigens die Panzerwaschanlage besuchen möchte muss weit laufen. Dazu später mehr. Auf dem Gelände selbst wurden bewußt alte Strukturen aus Army-Zeiten erhalten, was das ganze spannend macht, dem Gelände eine gewisse Gliederung gibt und auch eine Art Industriecharme versprüht. So auch die Hallen, in denen so einige Ausstellungen aufbereitet wurden. Und das ziemlich spannend, zur Stadtentwicklung und dem Gelände selbst, zur Nachhaltigkeit, von Firmen der Region was sie alles tolles leisten und natürlich kommen auch die Floristen, Gärtner und die Blümchen nicht zu kurz.

Baden-Württember "The Länd" auf dem Spinelli Gelände BUGA 23
Modell eines Stadtgrundrisses mit Videoprojektionen
Modell eines Stadtgrundrisses mit Videoprojektionen

28 Flocken und nichts gegessen

Schnell fällt auf, dass das ganze hier ziemlich progressiv angegangen wurde. Modern mit nachhaltigen Ansätzen. Wer also hier angelegte Blumenwiesen, wie im Weinheimer Hermannshof erwartet wird etwas enttäuscht sein. Aber für den haben sich die Mannheimer auch was überlegt, jeder kommt auf seine Kosten. Die sind übrigens nicht unerheblich. Der Eintritt schlägt erstmal mit 28 Flocken zu Buche. Ein knatschige Brezel kostet 2 Euro fünfzig. Ein Eis am Stiel 4 Euro. Uff. Ich will nicht wissen was die Pommes und eine Bratwurst Kosten. Wenn diese nicht geboten würden geht man ja nicht auf ein solches Fest. Wir haben uns späterer Stunde für eine nicht weiter belegte „Pinza“ entschieden, das hippste was es auf dem weg so gab, kurz zusammengefasst: eine halbe Pizza Margherita für schlappe neun Euro. Stramm. Ich schweife ab. Abgeschweift sind wir dann auch auf unserem Weg durch die Hallen uns das weitläufige Gelände, was nicht nur Freizeitflächen, sondern auch eine Flur zu Mannheims Frischluftzufuhr ist. Man kann hier laufen, laufen, laufen und überall gibt es etwas zu entdecken. Insbesondere die kleinen Gäste können hier toben, toben, toben bis Mama schreit: „Jan-Torben, Schluß jetzt mit dem toben. Wir wollen weiter!“. Aber da wird die Mama nicht weit kommen. Den es wurden echt begeisternde Spielplätze, besser Spiellandschaften geschaffen. Es gibt Klettergerüste, davon haben wir als Kinder nicht einmal gewagt von zu Träumen. Der Wahnsinn, aber super. Bin gespannt wieviel davon am Ende erhalten bleiben, was wieder abgebaut wird und wieviel davon, wenn der Zaun um das Gelände verschwunden ist, in kürzester Zeit sozusagen „umgenutzt“ wird zum Graffiti-Trainingslager. .

Viel Blech um nichts

An all diesen Spielwelten vorbei kommen wir endlich zur Berliner Mauer. Ähh. Nee. Der Panzerwaschanlage. Wohl eher dem kommenden „Streetart-Hot-Spott“. Bis hier schaffen es übrigens nur noch wenige, wer aber weiter geht wird die neue Fahrradtrasse sehen, welche mitten im Zentrum der Quadratestadt ihren Anfang hat und mal bis Weinheim gehen soll. Was wirklich notwendig wäre, bisher muss man seinen Weg von Weinheim mit dem Rad nämlich suchen. Von dort kommt man dann an eine gigantisches Stück Cortenblech, was aktuell Ausblick über einen kleinen Weiher und die Hauptattraktion der Buga gibt: Die Seilbahn! Später wird das hübsche Blech mal eine Brücke sein und was auch immer verbinden. Architektonisch spannend ist es in jedem Falle.

Häuserblock mit Graffiti und öffentlichen Verkehrsmitteln davor
Modell eines Stadtgrundrisses mit Videoprojektionen
Modell eines Stadtgrundrisses mit Videoprojektionen

Der Luisenpark

Nächstes Ziel also: Die nachhaltige Seilbahn mit Kabinen, die ohne Emission fahren. Ein Perpetuum-Mobile quasi. Den ganzen Tag im Kreis ohne Energie. Spitze die Mannheimer, reiht sich nahtlos in den Weg der Innovationen ein. Spaß macht sie aber, ist ziemlich flink und transportiert die Besucher in wenigen Minuten in den Luisenpark. Die Mutter aller Gartenschaus. Und endlich: da kommt auch 70plus auf seine Kosten. Herrlich mehr und weniger bunte Blumenmeere soweit das Auge reicht. Nur durch das Schmetterlingshaus muß man sich schieben, den mittlerweile ist schon Mittag durch und alles auf den Beinen was zur BUGA will. Und weil der Luisenpark ja ach’ so schön ist wollen ihn auch alle sehen und es hat sich bis zu Spinelli rüber rumgesprochen. Wir sind noch in weniger als 3 Minuten in der Gondel gesessen, wer nun zusteigen will muss wohl locker eine Stunde in Monnems längster Schlange warten. Reptilien gibt es übrigens genauso wie Kakteen, Palmen, Ziegen, lustigen Vögeln und der obligatorischen Bootsfahrt durch den Tümpel zu erleben. Es wird eben für jeden was geboten! Ein unbedingtes Must-See also die Mannheimer BUGA 23. Und nicht unerwähnt bleiben dürfen die vielen Veranstaltungen auf dem Gelände, von Vorträgen, Konzerten bis zu Theaterstücken mit lustigen Hüten, von denen schon so manche in die nationale Presse gekommen sind. Wir sind, platt von den Impressionen, wieder nachhause geradelt. Und die Frisur sitzt.

Multimedia-Wand mit Knöpfen zum Filtern von Inhalten
Multimedia-Wand mit Knöpfen zum Filtern von Inhalten

MARCHIVUM

MARCHIVUM

MARCHIVUM

Typisch Mannheim

Stadtarchiv im Bunker

Endlich haben wir es geschafft, das MARCHIVUM zu besichtigen. Seit dem Umbau 2016 befindet sich das Mannheimer Stadtarchiv und alle seine Dokumente sicher in der Neckarstadt-West, in Mannheims größtem Hochbunker.

Der mehrgeschossige Bau ist im oberen Bereich großzügig verglast und wird für Büroräume, Lesesäle und Vorträge genutzt. Der ursprüngliche Bunker ist fensterlos – wie es sich eben für einen Bunker gehört – und beherbergt einerseits das Archiv. Andererseits befinden sich darin die Ausstellungen zur Mannheimer Stadtgeschichte und NS-Zeit, sowie wechselnde Sonderausstellungen.

schräggestellte Aufnahme eines weißen Bunkergebäudes mit Bäumen davor
Ausstellungsraum mit blauer Projektionswand und Modell eines Automobils

Stadtgeschichtliche Ausstellung

Wir werden freundlich von einem älteren Herrn begrüßt. Dieser informiert uns gleich mal darüber, dass heute leider die virtuelle Stadtrundfahrt mit dem Benz-Mobil nicht funktioniert. Er halbiert netterweise den Preis unserer Eintrittskarten, die ohnehin nicht so arg teuer sind. Und schon tauchen wir ein in die Mannheimer Stadtgeschichte.

Modell eines Stadtgrundrisses mit Videoprojektionen

Die Ausstellung beginnt mit der Gründung der Stadt im 17. Jahrhundert. Mitten in einem dunklen Raum steht ein großes Stadtmodell, das mit Projektionen und einem Sprecher aus dem Off zum Leben erweckt wird. Die Ereignisse der darauffolgenden Jahrhunderte werden nach und nach multimedial und an vielen Stellen sehr interaktiv präsentiert. Überall leuchten Screens, es werden großflächig Videos gezeigt. Als Besucher nimmt man fast gar nicht mehr wahr, dass man sich in einem Bunker befindet. Nur vereinzelt springen kalte Beton-Wände und Bunkertüren mit Hebelverschlüssen ins Auge.

Multimediales Ausstellungsdesign

Die Geschichte Mannheims wird chronologisch und auch thematisch in Bezug auf Politik, Kunst und Kultur, Architektur, Bevölkerung erzählt. Die Ausstellung ist interessant, unterhaltsam und abwechslungsreich gestaltet. Die Besucher werden motiviert, Teil davon zu sein und aktiv mit zu machen.

Spaßig ist beispielsweise die Prahlerei der drei Kurfürsten aus dem 18. Jahrhundert in einer virtuellen Gemäldegalerie. Johann Wilhelm, Karl Philipp und Karl Theodor versuchen sich gegenseitig mit ihren Leistungen für Mannheim zu übertrumpfen. Um die überhaupt nicht verstaubte Galerie zum Leben zu erwecken gibt es zu den Gesprächsaufnahmen im Plauderton auch kleine Animationen auf den Bildern.

Ausstellungsraum mit drei wuchtigen digitalen Bilderrahmen mit Bildern von Kurfürsten
Ausstellungswand mit vielen Touchscreens

Interaktiver geht es im 19. und 20. Jahrhundert zu. Eine Collection Wall lädt zum aktiven Entdecken der Industrie- und Handelsstadt ein. Unzählige Touchscreen werden betätigt und Objekte zum Thema Kunst und Wissenschaft auf definierte Zonen gestellt um digital Informationen zu erhalten.

Multimedia-Wand mit Knöpfen zum Filtern von Inhalten

Auf einer großen Digitalwand wird im nächsten Raum mit Hilfe von Reglern und Knöpfen fleißig gefiltert. Je nach Thema, Alter, Geschlecht, Zeit und weiteren Filtermöglichkeiten erscheinen Impressionen vom Leben in Mannheim auf der Bildfläche.

interaktive Ausstellung mit Zonen auf einem Teppich, Videoprojektionen und Lautsprechern

Persönliches aus den Stadtteilen

Am Ende der Ausstellung kommt Mannheims Bevölkerung zu Wort. Durch die Kombination von Projektionen an den Wänden, geschickt platzierten Lautsprechern und der eigenen Position auf dem mit den Stadtteilen bedruckten Teppich, erhält man persönliche Einblicke ins Leben. Und das ohne eine durch den Raum schallende Kakofonie aus Monnemer Gebabbel, sondern mit gezielten kleinen Geschichten aus den jeweiligen Stadtteilen.

Schää war’s, alla tschüss!

Thomas Hirschhorn

Thomas Hirschhorn

THOMAS HIRSCHHORN

NEVER GIVE UP THE SPOT

chaotische Ausstellung zum Mitmachen

MUSEUM ZUM MITMACHEN

Wie trete ich mit meinen Besuchern in Interaktion und lasse sie Teil der Ausstellung werden? Diese Frage ist für uns als Messeplaner und -designer essenziell. Denn Erlebbares bleibt im Gedächtnis und schafft einen neuen Zugang zu Marke und Produkt. Der Schweizer Installationskünstler Thomas Hirschhorn hat sich in seinem Kunstwerk „Never Give Up The Spot“ mit diesem Thema auseinandergesetzt.

Die außergewöhnliche Ausstellung fand vom 19. Oktober 2018 bis zum 3. Februar 2019 im Münchener Museum Villa Stuck statt, welches dieses Jahr sein 50-Jahr-Jubiläum feiert.

Doch was ist das Besondere an diesem Kunstwerk? Der Bildhauer formt auf drei Stockwerken des neuen Atelierbaus eine graue Kunst-Ruine: In drei Metern Höhe thront eine Kloschüssel, am Boden liegen Betonbrocken und riesige Styroporklötze wild durcheinander. Die Fassade ist scheinbar zerstört, wirkt mit den herausstehenden Lüftungsrohren und herausgerissenen Kabeln wie ein gigantisches Chaos. Hirschhorn hat es mit seiner Open-Door-Mentalität geschafft, Zerstörung und Kreation miteinander zu verbinden. Dabei bedient er sich verschiedenster Kanäle: In der ganzen Stadt werden Flyer verteilt und unter dem Hashtag #NeverGiveUpTheSpot wird die Entwicklung des Kunstwerks auf Social-Media-Kanälen dokumentiert.

Durcheinander mit Styropor-Klötzen, einer Kloschüssel in großer Höhe und einer zerstörten Fassade
Notizen, Klebeband und Styropor als Ausstellungs-Gestaltungsmittel

EINE SCHÖPFUNGSGESCHICHTE

Nicht nur der freie Eintritt sondern auch die Einladung zur Mitgestaltung verwandeln die Ruine in ein ansprechendes und interaktives Erlebnis für die Besucher. Diese haben die Möglichkeit in zwei Unterständen Neues zu kreieren und ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen – alles ohne Wachpersonal. Dabei kann jeder mit Klebeband, bunter Farbe und Sprühdosen, sowie Papier und riesigen Styroporblöcken das begehbare Kunstwerk umgestalten und ergänzen.

JEDER IST WILLKOMMEN

Nach dem Willen des in Frankreich lebenden Künstlers sollen die Menschen selbst Hand anlegen – ein krasser Kontrast zu der klassischen „Bitte-nicht-berühren-Politik“ in vielen Museen. Wir waren beeindruckt, wie viele neue Werke innerhalb von dreieinhalb Monaten Ausstellungs-Zeit entstanden sind. Dabei betont Hirschhorn, dass die Definition eines „Werkes“ sehr individuell interpretiert werden kann: ein zwischenmenschliches Gespräch kann genauso erschaffen werden, wie ein Text oder ein Bild an der Wand. Die nötigen Werkzeuge, Materialien und Computer stehen für jeden zur freien Verfügung. „Ich denke, dass man für das nicht-exklusive Publikum arbeiten muss“, erklärt der Installations-Künstler, „das heißt, für den, der andere Probleme hat als Kunst.“

Ausstellungsbesucher sind selbst kreativ

EIN RAUM ZUM ERLEBEN UND KOMMUNIZIEREN

Hirschhorns neuartiger Ansatz interessiert uns besonders im Hinblick auf das Design von Messeständen. Mit unseren Projekten schaffen auch wir erlebbare Räume. Jeder Messestand übermittelt mit Hilfe von Architektur, Materialien, sowie Videos und Animationen eine Botschaft an den Besucher. Dieser kann das Produkt sehen, fühlen und erleben. Ähnlich kommuniziert auch Hirschhorn mit seinen Besuchern. Die künstlich erschaffene Ruine ist ein Ort zum offenen Kommunizieren und Gestalten. Er schafft Raum.

Gemälde einer Frau auf Pappkarton
zerstörte Fassade mit heraushängenden Lüftungsrohren

DAS „NEUE“ MUSEUM

Der Künstler selbst sieht die Ruine als „Versuch, das Museum neu zu denken“. Erst wenn alte Strukturen aufgebrochen werden, können neue entstehen. „Ich zerstöre das Museum nicht“, beteuert Hirschhorn, „ich möchte es dazu bringen, seine Position zu überdenken.“ Das Prinzip klassischer Museen ist zu weit vom Besucher entfernt. Häufig bestehend aus sterilen, neutralen Räumen lädt es höchstens dazu ein, sich im Flüsterton über die Kunst auszutauschen. Es bietet wenig Berührungspunkte zwischen Betrachter und Werk. Thomas Hirschhorn hat es geschafft diese künstlich erschaffene Distanz aufzulösen, Kunst erlebbar zu machen und sie in ein Gemeinschaftswerk zu verwandeln. Ganz nach dem Motto „jeder ist ein Künstler“.