Denyse Thomasos

Denyse Thomasos

Denyse Thomasos

AGO Toronto

Art Gallery Ontario

Auf unserem frostigen Roadtrip nach Toronto kamen wir nicht umhin die Art Gallery Ontario zu besuchen. Wer hat’s geplant? Frank Gehry. Über den stolpern wir ja ständig. Die geschwungene Fassade, in der sich die Häuschen der gegenüberliegenden Straßenseite spiegeln, war in jedem Falle eine gute Idee. Innen geht es dann deutlich eckiger zur Sache. Maßgeblich durfte er sich wohl noch an einer Treppe austoben. In jedem Fall ist der Komplex so riesig, dass man wohl Tage darin verbringen kann. Das Ticket gibt einem auch die Möglichkeit dazu. Das würde den Amis im Traum nicht einfallen.

Gebäude der Art Gallery Ontario
Ausstellungsraum mit bunten Bildern von Denise Thomasos

„Just Beyond“ von Denyse Thomasos

Wir haben beschlossen die Sache von hinten aufzurollen, in Ebene 5, welche sich im zweiten Gebäude ganz oben befindet. Das war auch eine gute Idee, diesmal von uns. Dort sind wir auf die Werke, der für uns bis dato nicht bekannten kanadischen Künstlerin Denyse Thomasos gestoßen, mit der Ausstellung „Just Beyond“. Sie hat sich in ihrem Werk sehr spannend und immer abstrakter werdend mit Architektur, Städtebau und urbanen Lebensräumen beschäftigt. Leider ist sie viel zu jung verstorben. Große Werke mit kräftigen Farben, die sich immer weiter auflösen. Sie fordert die Grenzen der Abstraktion geradezu heraus.
Eine konstruierte Stadt von Denyse Thomasos

Karibische Knallfarben

Sie immigrierte Anfang 1970 mit ihren Eltern von Trinidad & Tobago nach Kanada und begann im zarten Alter von 15 Jahren mit dem Pinsel zu verarbeiten, was um sie geschah und was sie erlebte. Thomasos konstruierte ihre Motive aus käfig-artigen Strukturen, die wie Häuser anmuten können, aber auch wie Totenschädel, die wiederum für ihr politisches Engagement gegen Rassismus und Unterdrückung stehen. Ihre häufig knallige Farbpalette steht sicherlich für Ihre karibische Herkunft und entsprechende Ästhetik.

Farbenfrohes Bild eines urbanen Lebensraums von Denyse Thomasos
Architekturbild von Denyse Thomasos
Werk zum Thema Stadtarchitektur von Denyse Thomasos
Knallbuntes Werk von Denyse Thomasos

Ihre späten Arbeiten wurden zunehmend abstrakter und immer raumeinnehmender — wie würden wohl ihre heutigen Arbeiten aussehen? Leider werden wir es nie erfahren, da sie bereits 2012 mit nur 48 Jahren verstorben ist. Eine großartige Künstlerin.

Guggenheim meets Elíasson

Guggenheim meets Elíasson

Guggenheim Bilbao

       meets

Ólafur Elíasson

Roadtrip

Es hatte sich der glückliche Umstand ergeben, spontan einem 6-tägigen Roadtrip von Porto zurück in die Heimat beizuwohnen. Es war eigentlich eine Bus-Überführung, bei der ich mich kurzfristig als blinder Passagier eingeschlichen habe. Entlang der 2400 km langen Strecke gab es so einiges zu entdecken. Neben den vielen Portweinkellereien, Weingütern, leckeren Weinproben und kulinarischen Verköstigungen konnte nach dem steilen, kurvigen und von Weinreben bewachsenen Douro-Tal der kulturelle Abstecher nach Bilbao nicht fehlen. Betactive meets Guggenheim meets Elíasson.

Architektur aus organischen Freiformen
Text und dekorative Elemente auf einer Motorhaube

Der Bilbao-Effekt

In Bilbao durfte vor ein paar Jahren ein alter Bekannter das etwas triste Industrie-Stadtbild mit einem wirklich abgefahrenen Museumsbau aufwerten. Kein geringerer als Frank Gehry (ich glaube er lässt derzeit das „O.“ weg) durfte 1993 der Guggenheim Foundation sein Konzept präsentieren. Nach erstaunlich kurzer Bauzeit von 4 Jahren wurde im Herbst 1997 die Hütte feierlich eingeweiht. Seither hat sich die Stadt durch den gigantischen Kunst-Magneten gewaltig gemausert was auch Bilbao-Effekt genannt wird. Unbedingt sehens- und erlebenswert ist die Innenstadt mit alten Prachtbauten, vielen Geschäften, engen Gassen und unzähligen Pintxo-Bars, obwohl die restriktiven spanischen Corona-Regeln derzeit leider den Spaß schon einschränken. Zu den spanischen Tapas trinkt man am besten Rioja. Das Anbau-Gebiet liegt übrigens unweit von Bilbao. Leider hat der Weg uns, zumindest dieses Mal, nicht dorthin geführt.

Text und dekorative Elemente auf einer Motorhaube
Bunt bemaltes Haus in Türkis und Rot

komplexe Konstruktion

Das Guggenheim Museum selbst streckt sich am Fluß Nervión entlang mit verschiedenen, in sich verdrehten Ebenen, Dächern und Winkeln. Die Struktur des gesamten Baus ist sehr komplex und man findet wenige rechte Winkel – aber es gibt sie. Allerdings ist trotz der fließenden, in sich verschobenen und verdrehten Architektur doch ein klarer Weg durchs Museum zu finden — ganz im Gegensatz zum deutlich jüngeren Pendant in Paris. Auf drei Etagen befinden sich die Ausstellungen.

Aber schon an der Uferpromenade auf dem Weg zum Museum stößt man auf diverse Skulpturen der Superstars aus dem 20 Jahrhundert: Jeff Koons, Anish Kapoor oder Thomas Schütte vorne dabei. Im Erdgeschoß ist eine ganze Halle dem gigantischen, begehbaren Werk von Richard Serra gewidmet. Wow. Gleich mehrere seiner riesigen Stahl-Ellipsen darf man dort durch- und umlaufen. Gegenüber hat einer meiner besonderen Lieblinge einen Raum bespielen dürfen: Jenny Holzer mit einem ganzen Rudel an Lichtlaufbändern, die zum Himmel streben, und ihren einzigartigen Statements. Der gesamte Raum erstrahlt in blau und rot. Mega.

Kupferne gigantische Stahlellipsen
Kupferne gigantische Stahlellipsen
Durchgang mit Kunst an Boden, Wand und Decke
Durchgang mit Kunst an Boden, Wand und Decke
Fahrräder in der Draufsicht
sitzende Menschen bei Kunst-Festival

Guggenheim meets Elíasson

Und auf wessen Kunst treffe ich im 1. OG? Na die des derzeit fast omnipräsenten Ólafur Elíasson. Er ist heute in fast allen großen Sammlungen und Museen zu finden. Da fragt man sich, wie schafft er das? Ein wahres Genie der Selbstvermarktung. Mit seinem mittlerweile rund hundertköpfigen Team, das übrigens in Berlin seine Homebase hat, hat er eine ungewöhnliche Marke geschaffen. Seine Werke sind immer begeisternd und er beschäftigt sich mit der Natur und physikalischen Phänomenen wie Licht, Farben, Wasser, Nebel, Reflexionen und Bewegung.

Dies ist überlagert vom nachhaltigen Gedanken, auf Umweltzerstörung und den Klimawandel aufmerksam zu machen, was ihm meist beeindruckend gelingt. Beispielsweise mit der Bilderserie von isländischen Gletschern und dem schmelzenden Eis oder seinen gefärbten Flüssen. Große Bekanntheit hat auch seine Solarlampe für Afrika in Sonnenblumenform. Er schafft es Kunst und Natur zu verbinden. Mit das bekannteste Werk dürfte die riesige Sonne in der Tate London vor ein paar Jahren gewesen sein.

sitzende Menschen bei Kunst-Festival

Ein Erlebnis

In der Ausstellung in Bilbao sieht man einen Abriss bekannter Werke aus den unterschiedlichsten Schaffensbereichen. Angefangen mit vieleckigen Objekten, Spiegeln, Farbfolien und natürlich Licht, bzw. Lichtobjekte, die phantastische Effekte in den Raum zaubern. In die riesige Mooswand will man sich am liebsten hineinkuscheln. Einen Raum weiter wird es allerdings deutlich feuchter. Nebel steigt auf und Regenbogen spiegeln sich wider. Und wirklich monochrom wird es dann im „Room for one Color“ — ein echtes Erlebnis. Elíasson und das Guggenheim, bei Regen und Corona wohl kaum zu toppen.

Das Guggenheim hat natürlich noch weit mehr an großer Kunst zu bieten, aber irgendwann hat der Hunger gerufen und die Pintxos mit Rioja haben doch auch was verführerisches. Am nächsten morgen ging die Fahrt dann natürlich pünktlich weiter Richtung Frankreich. Bordeaux stand auf dem Plan!

Orange beleuchteter Raum mit Lichtröhren an der Decke
Fondation Louis Vuitton

Fondation Louis Vuitton

Fondation Louis Vuitton

Pour la Création – das Ungetüm

Galerie mit Exponaten im Bereich Wohndesign

Pariser Prachtbau

Der neue Prachtbau von Paris liegt etwas abgelegen im Parc d’Aglimatacion im Südwesten von Paris. Mit der Metro gut erreichbar läuft man je nach gewählter Linie noch zehn bis zwanzig Minuten durchs Grüne. Ein für Kids besuchenswerter Spielpark liegt gleich nebenan. Kommt man nun durch den Wald geschlendert, bäumt sich plötzlich ein gigantisches Ungetüm vor einem auf: die Fondation Louis Vuitton. Wie konnte dieses Raumschiff überhaupt hier landen? An gleicher Stelle befand sich ganz früher eine alte Orangerie und mit dem nötigen Kleingeld ausgestattet, kam es irgendwann zur Genehmigung.

Holzkonstruktion mit Badewanne zum Färben von Stoffen

The Vessel

Der Entwurf von Stararchitekt Frank Gehry nennt sich „Vessel“, zu deutsch Schiff, was durch die segelartigen, vorgehängten Glas-Elemente angedeutet wird. Zu unserem Erstaunen ist der Besucheransturm für einen sonnigen Sonntag Mittag recht überschaubar. Noch nicht mal die wuseligen Asiaten, die King Louis gottartig verehren und vor jedem seiner Konsumtempel artig Schlange stehen, hüpfen hier umher. Liegt womöglich daran, dass es zu dem Zeitpunkt weder Ausstellungen in den elf Galerien, noch Handtaschen gab, aber wir waren ja eigentlich auch wegen der überwältigenden Architektur hier.

Stahlkonstruktion mit bunten Kunststofffolien

11.000 Quadratmeter groß

Nun ja, wirklich überwältigend ist irgendwie anders. Schon die Eingangshalle der Fondation Louis Vuitton ist weder sonderlich gigantisch – was man hätte von außen erwarten können – noch erschließt dem Besucher eine klare Struktur, wo er jetzt entlang muss oder soll. Also dann laufen wir mal los; Treppchen hoch am Klo vorbei zum Gebetsraum. An zwei großen Videowänden kriegt man in andächtiger Stille gezeigt, was man sich gleich in echt anschauen darf. A-ha. Immerhin aus Sicht einer Drone, die durch das noch leerere Gebäude fliegen durfte.

Zudem erfährt man hier die Kennzahlen, damit man weiß wie klein das eigene Heim ist: 12 Glassegel, 46 Meter hoch, 154 Meter lang, 11.000 Quadratmeter groß, 15.000 Tonnen Stahl und 110.000 Tonnen Beton. Und plötzlich wird aus der Vessel ein Eisberg – laut Herrn Gehry, der Kern des Gebäudes. Wie war das mit dem Schiffchen und dem Eisberg gleich? Egal. Letzterer hat übrigens eine Außenhaut aus 19.000 unterschiedlichen, weißen, CNC-gefertigten, Fiberglas-verstärkten Betonplatten. Keine gleicht der anderen, krasse Nummer.

Im Kontrast dazu stehen die Glassegel, welche aus 3.600 einzelnen Scheiben bestehen, mit gleicher Größe, aber unterschiedlich gebogen. Dann kam man auf die Idee, die Glasplatten mit kleinen weißen Punkten zu bedrucken, um den Eindruck einer Wolke zu erwecken (waren es nicht Segel?). Nun, der Effekt erweckt höchstens den Gedanken, dass die Scheiben mal wieder geputzt gehören, da der Blick doch deutlich getrübt wird, wenn er über die Skyline von Paris schweifen möchte – hin zum Eiffelturm oder rüber nach La Défense. Ja, sehen kann man von hier weit, mitten im grünen Park.

Raum mit Holzstreben und Holzplatten, in dem ein T-Shirt aus nachhaltigen Materialien hängt

Komplexe Konstruktion

Weiter nach oben! Nun kann man sich zwischen diversen Treppen und verglasten Fahrstühlen entscheiden, irgendwo gibt es auch noch eine Rolltreppe. Mit dieser gelangt man auf eine der Terrassen-Ebenen um dann letztendlich die Architektur auf sich wirken zu lassen, die Konstruktion zu bewundern und die Ausblicke auf die Stadt zu genießen. Aber im Grunde ist das gesamte Gebäude ein Labyrinth: Man läuft durch Gänge, Treppen hoch und runter und bekommt doch nie einen wirklich freien Blick und sucht auch ein wenig den Sinn dahinter. Die Konstruktion ist in gewisser Weise beeindruckend, so viele Träger, Rohre, Ebenen die Kreuz und quer miteinander verbunden sind, habe ich selten gesehen. Da dürfte so mancher Bauleiter verzweifelt sein. Irgendwie enorm. Was leider ausbleibt ist der Wow-Effekt. Es ist groß. Es ist selten. Vermutlich ist das Ganze etwas interessanter und wird in ein anderes Licht gerückt, wenn Ausstellungen laufen.

weiße Pilze für die Verwendung in der Architektur

Das wahre Highlight scheint woanders

Findet man über eine der vielen Treppen nach unten und durch das Auditorium ins Untergeschoss, vorbei an bunten Farbflächen von Ellsworth Kelly — welche ich ja gerne mag — nach draußen, dann steht man vor einem wirklichen Highlight: Die Installation „Inside the horizon“ von Ólafur Elíasson. Sie begeistert schon durch ihre Dimension mit über 90 Metern Länge — und das Gelb ist phänomenal. Da geht wahrlich die Sonne im Keller auf. Zueinander verdrehte gelbe Farbflächen, die mit Spiegeln kombiniert sind, bringen unzählige Facetten, Spiegelungen und Ansichten wenn man mit den anderen Besuchern dazwischen hindurch huscht. Ein gigantisches Kaleidoskop. Ein Ort zum Verweilen. Toll. toll. toll! Hat sich der Weg also doch gelohnt.

Bunte Pappkartonflächen mit Begriffen zum Thema Produktlebenszyklus