Clark Richert – Hyperspace

Clark Richert – Hyperspace

Clark Richert

„Hyperspace“ in Colorado

Geometrische Strukturen in einem Kunstwerk

glücklicher Zufall

Auf unserem hochtemperierten Erkundungstrip durch Denver haben wir zum Abkühlen Stopp gemacht im Museum of Contemporary Art, kurz MCA. Manchmal hat man Glück und so sind wir auf eine überraschend spannende und umfangreiche Ausstellung gestoßen: die erste große Retrospektive des wohl bekanntesten Künstlers Colorados, Clark Richert. Dessen Titel „Hyperspace“ klingt ja vielversprechend. Richerts Werke behandeln die Erschaffung von Raum mit überwiegend geometrischen Formen. Gerenell fokussiert sich die Ausstellung auf Richert als Maler und als feste Institution der künstlerischen Landschaft von Colorado.

Ausstellungsraum mit Screens und einem großen Wandbild mit kuppelförmigen Häuschen

EINE HIPPIE-KOMMUNE ALS KÜNSTLERISCHE INSPIRATION

Bekannt ist Clark Richert vor allem als Mitbegründer der legendären Hippie-Kommune „Drop City“. Diese entstand zwischen 1965 und 1969 in der Nähe von Trinidad, Colorado. Mit dieser grundlegenden Erfahrung in seinem Leben wird die Ausstellung auch eröffnet. Seine Arbeit in der Kommune zeigt seine konzeptionellen Gedankengänge. Diese spiegeln sich in seiner Affinität zu Dimensionalität widers. Das Interesse und die Faszination des Verhältnisses zwischen mehreren Dimensionen wurde vor allem durch R. Buckminster Fuller beeinflusst. Deswegen bauten Richert und die anderen „Droppers“ die „Domes“, ihre Wohn- und Arbeitsräume, nach dessen Design.

Ausstellung mit eingerahmten, bunten Illustrationen an der Wand

Geometrische Kunstwerke

Seine Vorliebe für Dimensionalität wird auch in seinen akkurat gemalten Bildern deutlich, die er als Mitglied der „Criss-Cross“ Community erschuf. Er und andere Mitglieder leiteten die geometrischen Formen und Strukturen in ihren Kunstwerken von gegebenen Mustern aus der Natur, Mathematik, Wissenschaft, Musik und Technologie ab. Demnach kreierten Sie diese nicht neu, sondern illustrierten und interpretierten Vorhandenes in einer neuen Weise. Was zuerst flach wirkt, bekommt bei genauerem Hinsehen eine unglaubliche Tiefe mit sehr dreidimensionaler Wirkung.

Gemälde zweier Fenster und dem leeren Raum dazwischen
Blick in Ausstellungsraum mit geometrischen Bildern

DAS ERSCHAFFEN VON DREIDIMENSIONALITÄT

Die Ausstellung folgt Richerts künstlerischen Entwicklung und zeigt wie vielseitig er gearbeitet hat. In den späten 1980ern und 1990ern macht seine Kunst einen ungewöhnlichen Ausflug in die Welt des Piktorialismus, eine kunstfotografische Stilrichtung, die sich von seinen sonstigen Werken stark unterscheidet. Ein künstlerisches Beispiel aus dieser Zeit ist das Gemälde „Blue Room“, das exemplarisch aufweist, dass dieser Kunststil oft leere, voluminöse Räume darstellt. Es zeigt, wie er eine zweidimensionale Oberfläche nutzt um einen dreidimensionalen Raum zu erschaffen.

Ein Jahrzehnt später beschreibt Richert in einem Essay, dass er die Leinwand als ein Fenster sehe, durch welches eine Welt wahrnehmbar sei. Demnach bedeutet dies für ihn, dass das Gemälde verschiedene Dimensionen beinhaltet und die Leinwand als Rahmen für einen leeren Raum fungiert. Folglich ist Raum und dessen Erschaffen ein zentraler Aspekt Richerts Kunst. Ende der 1980er Jahre begann Richert große, realitätsnahe Gemälde zu erschaffen. Diese Werke zeigen erneut, wie intensiv sich der Künstler mit dem Verhältnis der flachen Oberfläche der Leinwand und dem dimensionalen Raum des Bildes beschäftigt. Er erschafft Tiefe und dadurch erschafft er Raum.

geometrisches Gemälde mit gelben, roten und blauen Vierecken
Bild mit räumlicher Tiefe durch bunte Linien und Punkte

EINE AUSSTELLUNG MIT NACHGANG

„Hyperspace“ hat uns extrem beeindruckt. Es zeigt, wie intensiv Richert sich mit geometrischen Gesetzen, Dimensionalität und Raum auseinander gesetzt hat. Auch wenn sich die Werke, die im MCA ausgestellt wurden, optisch und stilistisch unterscheiden mögen, sie entstanden alle auf der Basis von geometrischen Prinzipien. Beeindruckend realistisch verwandelt der Künstler flache Oberfläche in zwei- oder dreidimensionale Räume. Ein Talent, das der Amerikaner durch viel Forschung perfektioniert und womit er eine neue Darstellung von Dimensionalität erschaffen hat.

Einen etwas anderen Ansatz zu konstruierten räumlichen Dimensionen finden Sie in unserem Blogbeitrag zu Victor Vasarely.

The Source – Creative Space

The Source – Creative Space

The Source
in Denver

Creative Space

Fotografie einer Großstadt mit Skyline im Hintergrund

Bikes vs. eboards

Eingeladen in die Rockies, konnten wir den weiten Weg nicht auf uns nehmen, ohne Denver etwas näher anzusehen. In unserem Appartement gab es netterweise zwei coole Fahrräder, sodass wir uns mit selbigen bei 104° Fahrenheit auf den Weg gemacht haben um die City by Bike zu erkunden. Ziemlich uncool, wie wir schnell merkten. Wer hier hipp und lässig ist, steht auf einem eBoard und rast geräuschlos über die mehr oder weniger guten Gehwege. Die bunten eBoards kann man an jeder Ecke per App mieten.

bemalte Wand mit zwei schwarzen Oldtimer und dem Schriftzug "Bright Future"

CENTER FOR VISUAL ART

Erste Etappe war der nah gelegene Art District on Santa Fe, jetlagbedingt waren wir zu früh und die meisten Künstler und Galeristen haben wohl noch geschlafen. Freudig empfangen mit einer persönlichen Führung wurden wir dann jedoch im Center for Visual Art, das zur Metropolitan State University of Denver gehört. Es stellen dort gerade die Dozenten und Professoren ihre eigenen Werke aus. Spannend, aber nicht spektakulär. Allerdings kann man mit 1 – 3 Werken auch nicht wirklich das Schaffen des Einzelnen erfassen.

bunte Kunstinstallation angeregt vom Klopfen der Spechte

Am meisten hat uns das gemeinsame Werk der beiden Künstler Abell + Stewart „Encouraging the Appearence of Others“ gefallen. Eine Installation. Die beiden waren in den Wäldern von Montana unterwegs, vom über weite Strecken zu hörenden Klopfen der Spechte angeregt, übertragen auf das Anklopfen an einer (Haus)türe mit der Bitte einzutreten, um letzten Endes zu kommunizieren. Verrückt? In jedem Fall ist die Installation ganz schön durchgeknallt und überall klopfen kleine mit Bewegungsmelder und Motor ausgestattete Klöppel, die sie im Wald geschnitzt haben.

Bretterwand in Lagerhalle mit Schriftzug
Hippe Lagerhalle umfunktioniert zu einer Markthalle mit Sitzgelegenheiten

RIVER NORTH ART DISTRICT

Bei der Affenhitze ging es dann weiter auf unseren nun nicht mehr so coolen Bikes Richtung Downtown. Denver breitet sich zwar auf der 1600 Meter hoch gelegenen Ebene sehr weit aus, Downtown ist aber eher überschaubar mit ein paar kleinwüchsigen Hochhäusern. Gleich neben der berühmten und schick renovierten Union Station liegt das MCA, wo wir die Retrospektive „in Hyperspace“ von Clark Richert angesehen haben, dazu mehr in einem eigenen Bericht.

In der prallen Mittagssonne haben wir uns nach einem amerikanischen Erfrischungsgetränk auf den Weg Richtung Rino gemacht. Das kleine Nashorn begegnet einem dort überall und steht für „River North Art District“. Der hipste District in Denver, manche behaupten der ganzen USA.

Was geht hier ab? Im Grunde wurden ein paar alte Lagerhallen umfunktioniert zu Markthallen in denen es diverse „Food“-Angebote, Sitzmöglichkeiten, Shops, Micro-Brauerein, Co-Working-Spaces und natürlich Künstler, Streetart und Galerien gibt. Dort trifft man sich, trink IPA (gesprochen Ai-Pi-Eiii), isst total orgänic (am besten aus einem Foodtruck, der mit einem stinkenden und knatternden Generator angetrieben wird), zeigt seine neuesten Tattoos und kauft völlig überteuerte Sneakers ohne Fußbett oder andere Lifestyle-Accessoires. Toll. Wie im Zirkus.

Rino ist ein Industriegebiet mit Maskottchen, das gepusht wird. Es ist aber auch ziemlich weitläufig und ohne ein Bewegungshilfsmittel kaum zu erkunden. Die Hotspots sind ganz schön weit zwischen Lagerhallen, ehemaligen Fabriken, modernen Wohnanlagen und brach liegenden Grundstücken verteilt, dazu noch durch eine Bahnlinie getrennt. So sind wir bei unserer Erkundungstour in einer ziemlich abgelegenen Ecke zufällig auf „The Source“ gestoßen.

Photographie von liegend gelagerten Weinfässern
Junger hipper Bäcker in seine Arbeit viertieft

WELCOME TO THE SOURCE

Hier wurde aus einer alten Lagerhallen, verbunden mit einem Neubau, ein ziemlich spannender Raum geschaffen, der alles oben beschriebene miteinander verknüpft. Man trifft sich also hier. Kern des Ganzen ist ein Hotel, das sich im Neubau befindet. In letzterem befindet sich eine große Halle mit diversen offenen Shops, Restaurants und Brauerei. Man kann Schallplatten, Taschen, Pflanzen, Klamotten und diversen anderen Plunder kaufen, es riecht überall nach dem „Wood Fired Grill“, es gibt Lounge-Ecken und Süßkram zu kaufen. Fährt man mit dem Fahrstuhl ins 8. Level wird man empfangen von 50 Weinfässern, welche zu Bierfässern umfunktioniert wurden. Aha! Auf dem Dach findet man eine Bar mit Terrasse, Blick über Denver eingerahmt von den Rockies.

Wieder unten geht man über eine Stahlbrücke in die zweite Halle, die alte Fabrikhalle. Auch diese ist moderner cross-over Stilmix. Eine große Bar in der Mitte mit etwas gewöhnungsbedürftigen Cocktails, Restaurants, Wein-Shop, Klamotten, eine Bäckerei. Letztere heißt schlicht „Bakery“. Drinnen sind junge Kerle, die backen und direkt verkaufen. Ihr Ansatz ist „ehrliches“ Handwerk mit guten Zutaten und leckerem Backerzeugnis. Den Unterschied schmeckt und bezahlt man. Hier in „The Source“ liegt nicht nur der Duft der Bäckerei, des Grills und der Brauerei in der Luft, sondern auch inspirierende, knisternde Vibes, neues zu schaffen, Dinge anders anzufassen, etwas zu wagen und zu entwickeln, neues zu kreieren und zu schaffen. Das wird unterstrichen durch die progressive Gestaltung der Räume. Hier treffen verschiedene Stilrichtungen, alt und neu, Streetart auf Backstein, Metall und Beton, viel Glas und Holz aufeinander. Ein Mix der am Ende aber ein großes Ganzes gibt. Abgefahren.

Bildnis zweier Frauen an einer Backsteinfassade

Sharing

Uns hat es so begeistert, dass wir am nächsten Tag gleich nochmal herkamen — natürlich mit Lyft, noch so ein american Ding — um hier mit Freunden im „Acorn“ zu Essen. Family Style. Man bestellt verschiedene Gerichte, die kommen auf den Tisch und jeder greift überall zu. Sharing. Genau wie der Raum selbst. Und das Essen war genauso überraschend wie The Source. Neu zusammengesetzt und einfach mal anders interpretiert. Super! Ob das ganze auf lange Zeit klappt wird sich zeigen, aber davor haben unsere „amerikanischen Freunde“ ja keine Angst. Klappt es nicht, kommt was Neues!

Für alle Interessierten mehr Infos unter thesourcehotel.com