Thomas Hirschhorn
THOMAS HIRSCHHORN
NEVER GIVE UP THE SPOT
MUSEUM ZUM MITMACHEN
Wie trete ich mit meinen Besuchern in Interaktion und lasse sie Teil der Ausstellung werden? Diese Frage ist für uns als Messeplaner und -designer essenziell. Denn Erlebbares bleibt im Gedächtnis und schafft einen neuen Zugang zu Marke und Produkt. Der Schweizer Installationskünstler Thomas Hirschhorn hat sich in seinem Kunstwerk „Never Give Up The Spot“ mit diesem Thema auseinandergesetzt.
Die außergewöhnliche Ausstellung fand vom 19. Oktober 2018 bis zum 3. Februar 2019 im Münchener Museum Villa Stuck statt, welches dieses Jahr sein 50-Jahr-Jubiläum feiert.
Doch was ist das Besondere an diesem Kunstwerk? Der Bildhauer formt auf drei Stockwerken des neuen Atelierbaus eine graue Kunst-Ruine: In drei Metern Höhe thront eine Kloschüssel, am Boden liegen Betonbrocken und riesige Styroporklötze wild durcheinander. Die Fassade ist scheinbar zerstört, wirkt mit den herausstehenden Lüftungsrohren und herausgerissenen Kabeln wie ein gigantisches Chaos. Hirschhorn hat es mit seiner Open-Door-Mentalität geschafft, Zerstörung und Kreation miteinander zu verbinden. Dabei bedient er sich verschiedenster Kanäle: In der ganzen Stadt werden Flyer verteilt und unter dem Hashtag #NeverGiveUpTheSpot wird die Entwicklung des Kunstwerks auf Social-Media-Kanälen dokumentiert.
EINE SCHÖPFUNGSGESCHICHTE
Nicht nur der freie Eintritt sondern auch die Einladung zur Mitgestaltung verwandeln die Ruine in ein ansprechendes und interaktives Erlebnis für die Besucher. Diese haben die Möglichkeit in zwei Unterständen Neues zu kreieren und ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen – alles ohne Wachpersonal. Dabei kann jeder mit Klebeband, bunter Farbe und Sprühdosen, sowie Papier und riesigen Styroporblöcken das begehbare Kunstwerk umgestalten und ergänzen.
JEDER IST WILLKOMMEN
Nach dem Willen des in Frankreich lebenden Künstlers sollen die Menschen selbst Hand anlegen – ein krasser Kontrast zu der klassischen „Bitte-nicht-berühren-Politik“ in vielen Museen. Wir waren beeindruckt, wie viele neue Werke innerhalb von dreieinhalb Monaten Ausstellungs-Zeit entstanden sind. Dabei betont Hirschhorn, dass die Definition eines „Werkes“ sehr individuell interpretiert werden kann: ein zwischenmenschliches Gespräch kann genauso erschaffen werden, wie ein Text oder ein Bild an der Wand. Die nötigen Werkzeuge, Materialien und Computer stehen für jeden zur freien Verfügung. „Ich denke, dass man für das nicht-exklusive Publikum arbeiten muss“, erklärt der Installations-Künstler, „das heißt, für den, der andere Probleme hat als Kunst.“
EIN RAUM ZUM ERLEBEN UND KOMMUNIZIEREN
Hirschhorns neuartiger Ansatz interessiert uns besonders im Hinblick auf das Design von Messeständen. Mit unseren Projekten schaffen auch wir erlebbare Räume. Jeder Messestand übermittelt mit Hilfe von Architektur, Materialien, sowie Videos und Animationen eine Botschaft an den Besucher. Dieser kann das Produkt sehen, fühlen und erleben. Ähnlich kommuniziert auch Hirschhorn mit seinen Besuchern. Die künstlich erschaffene Ruine ist ein Ort zum offenen Kommunizieren und Gestalten. Er schafft Raum.
DAS „NEUE“ MUSEUM
Der Künstler selbst sieht die Ruine als „Versuch, das Museum neu zu denken“. Erst wenn alte Strukturen aufgebrochen werden, können neue entstehen. „Ich zerstöre das Museum nicht“, beteuert Hirschhorn, „ich möchte es dazu bringen, seine Position zu überdenken.“ Das Prinzip klassischer Museen ist zu weit vom Besucher entfernt. Häufig bestehend aus sterilen, neutralen Räumen lädt es höchstens dazu ein, sich im Flüsterton über die Kunst auszutauschen. Es bietet wenig Berührungspunkte zwischen Betrachter und Werk. Thomas Hirschhorn hat es geschafft diese künstlich erschaffene Distanz aufzulösen, Kunst erlebbar zu machen und sie in ein Gemeinschaftswerk zu verwandeln. Ganz nach dem Motto „jeder ist ein Künstler“.
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