Christo und Jeanne-Claude

Christo und Jeanne-Claude

Christo und
Jeanne-Claude

zu Renovierungszwecken verhülltes Gebäude

Zufall?

Wenn man von weitem auf den Kunstpalast Düsseldorf zukommt, sieht man, oh er ist eingerüstet und verpackt. Eine Renovierung im vollen Gange. Was würde also besser passen, als Christo, den Verpackungsexperten schlechthin zu präsentieren? Die Ausstellung im Kunstpalast war übrigens die letzte Schau, die der Meister eingeschnürter Objekte mitgeplant und freigegeben hat — vor seinem Tod Ende Mai 2020.

Mit ihrer monumentalen Kunst haben Christo und Jeanne-Claude, die kurioserweise am gleichen Tag das Licht der Welt erblickten, es geschafft die Massen zu begeistern. Was übrigens Christo selbst als „total irrational und sinnlos“ bezeichnete.

Wrap Up der Lebensgeschichte

In der Düsseldorfer Schau wird das Lebenswerk von Beginn an kurzweilig und plakativ gezeigt. Gepaart mit Werken anderer Künstler, die Einfluß auf das Schaffen hatten. Allen voran die Pariser Künstlergruppe „Nouveau Réalisme“ um Yves Klein, Daniel Spoerri, Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle (um nur einige zu nennen). Christo war jedoch nie offizielles Mitglied. Inspiriert wurde er sicherlich auch von Man Ray, der zu Beginn der 20er Jahre schon verhüllte. Christo begann schon sehr früh zu zeichnen und besuchte Kurse, was zu einer begeisternden Qualität seiner Zeichnungen geführt hat. Einfluss hatte zuletzt auch die Malerei von Jean Dubufett und dessen plastische Darstellung von Oberflächen und Materialien.

In der Textilfärberei seines Vaters mußte Christo als Jugendlicher mit großen Stoffbahnen hantieren, welche ihn faszinierten und zum Zeichnen der Ballen animierten. In dieser Zeit inszenierte er auch Theaterstücke und bewies sein Organisationstalent. Er studierte in Sofia an der Akademie der Künste und auf seiner Flucht aus Bulgarien über Prag nach Paris auch ein Semester in Wien. Dort blieb er bis 1964, dann ging es nach New York.

Gemälde einer Kraterlandschaft in Grautönen
Ausstellungsraum mit Screens und einem großen Wandbild mit kuppelförmigen Häuschen
Eingepackte Zeitung als Kunstobjekt
Farbsiebdrucke einer verhüllten Gebäudes

Gemeinsame Projekte

In Paris verdiente Christo sodann seinen Unterhalt mit Porträts und lernte so auch Jeanne-Claude kennen. Hier begann er auch Alltagsobjekte zu verpacken und verschnüren. Er verhüllte alles: Zeitungen, Flaschen, Telefone, Autos — ein VW Käfer steht mitten in der Ausstellung — die Gegenstände werden durch die Verhüllung zu Skulpturen.

Jeanne-Claude, die Christo 1958 kennenlernte und mit ihr 1961 das erste gemeinsame Projekt begann, ist einerseits konzeptionell mit an den Werken beteiligt, aber auch ein Marketing- und Organisationstalent. Sie finanzierten alle Werke durch Arbeiten, die in den Entwurfsphasen entstanden sind und die Planung begeisternd darstellten. Sie haben weder Aufträge, noch Förderungen angenommen.

hartnäckig, langwierig und verrückt

Die monumentalen Projekte dauern alle über Jahre und erforderten beständiges und fortdauerndes Überzeugen von Ämtern, Politikern und Sammlern. Mit letzteren mußten die Millionen teuren Visionen ja umgesetzt werden. Im Grunde ermöglichte Crowdfunding die Umsetzung ihrer verrückten Ideen. Die Verhüllung des Berliner Reichtstags wurde über die Jahre insgesamt drei mal abgelehnt. Nachdem sie dann doch vom Bundestag genehmigt und 1995 Realität wurde, hat das Werk fünf Millionen Besucher angezogen. Ein gigantischer Magnet.

Bild vom verhüllten Reichstag in Berlin in einer Ausstellung
Zeichnung von gelben Schirmen verteilt in einer Landschaft
Weg durch orangefarbene Stofftore

24 Verhüllungen

Sie haben es zu Lebzeiten geschafft, 24 ihrer Projekte rund um den Planeten umzusetzen. 46 wurden abgelehnt. Zu den bekanntesten gehören die verpackte Küste in Australien, die verpackte Pont Neuf in Paris, die Sonnenschirme in Japan und den USA, der Berliner Reichstag, die orangefarbenen Tore im New Yorker Central Park, die schwimmenden Stege in Italien, und der verpackte Arc de Triomphe in Paris.

Weiß verhüllter Triumphbogen
Kunstinstallation mit 410.000 Ölfässer in der Wüste

Alle Ihre Werke waren temporär, das einzig bleibende soll „The Mastaba“ werden. 410.000 Ölfässer mitten in der Wüste — es wird immer noch versucht, es zu realisieren. Es bleibt also spannend!

Ob die „Verpackung“ des Kunstpalasts nun Zufall oder geschickte Planung war, haben wir nicht herausgefunden. In jedem Fall ist die Ausstellung mehr als sehenswert.

#christomoments

Futurium Berlin

Futurium Berlin

Futurium

Berlin

Galerie mit Exponaten im Bereich Wohndesign

Berlin ist immer eine Reise wert

Diesmal stand auf meinem Reiseplan Berlin: wegen eines Kongresses sollte ich in das ESTREL kommen. Eigentlich ein fürchterlicher Klotz in einer wenig attraktiven Ecke, doch das Hotel hat sich gewandelt – fast zu einem kleinen Museum zeitgenössischer Kunst. Schon am Eingang wird man von einer Holzskulptur von Tony Cragg empfangen, gleich daneben steht ein Bronzeguss von Erwin Wurm und in der Ecke hängt ein Gemälde von Jonas Burgert gefolgt von vielen Weiteren. Überraschend! Bevor es zum Futurium Berlin geht, war ich also auf dem Kongress unterwegs.

Auf dem Messestand ist alles soweit gut gelaufen, also war abends noch genug Zeit sich mit einem ehemaligen Mitarbeiter und Freund zu treffen und ab ins Nobelhart & Schmutzig. Definitiv ein gastronomisches Erlebnis. Die Mädels und Jungs hinterm Herd legen größten Wert auf natürliche Produkte, von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben aus der Region, die frei von chemischer oder industrieller Verarbeitung produzieren, um den wahren und vollen Geschmack zu erreichen. Diese servieren sie dann minimalistisch mit höchster Präzision und der passenden Geschichte dazu. Kurz gesagt: SUPERGEIL.

Soviel am Rande. Eigentlich geht es ja an dieser Stelle um ganz was anderes: vor der Heimreise wollte ich morgens noch unbedingt das nagelneu und ganz frisch eröffnete Futurium Berlin besuchen, ganz geschickt gelegen, gleich neben dem Bahnhof.

Holzkonstruktion mit Badewanne zum Färben von Stoffen

WELCOME TO THE FUTURE, MR. PRESIDENT

In Berlin gibt es immer wieder Neues zu entdecken, egal wie oft man da ist. Und weil das frisch eröffnete Futurium so neu ist, wollten da auch andere hin, um genau zu sein der Bundespräsident. Da der Mann so wichtig ist, darf da gleichzeitig kein anderer rein und auch ich (!) musste draußen bleiben. Unverschämtheit. Mein Zug ging kurz nach drei und ab ein Uhr durfte das niedere Volk erst wieder rein. Glücklicherweise ist Eintritt für die ersten drei Jahre frei, sonst hätte ich mich mächtig geärgert. Denn im Futurium Berlin wird soviel Information vermittelt, dass ein ganzer Tag einem knapp erscheint und ich hatte leider nicht einmal zwei Stunden. Also nix wie los!

Stahlkonstruktion mit bunten Kunststofffolien

Würfel, Punkte und Roboter

Das Gebäude des Futurium Berlin von außen ist ein relativ einfallsloser schwarzer Würfel — ob das sinnbildlich für die Zukunft steht? Auf jeden Fall hat der Architekt eine Ecke vergessen und zu dieser geht es rein. Drinnen gibt es erst mal einen Shop mit dem üblichem Museumsplunder, eine Empfangstheke, Garderobe und viele, viele Punkte. Diese ziehen sich durchs ganze Gebäude und erlauben witzige Durchblicke. Ab die Treppe nach oben! Dort wird man von einem kleinen weißen Roboter empfangen, von dem man ein Armband mit Chip zum „Punkte sammeln“ bekommt.

Raum mit Holzstreben und Holzplatten, in dem ein T-Shirt aus nachhaltigen Materialien hängt

Haus der Zukunft

Das „Futurium – Haus der Zukunft“ steht für die Gestaltung unserer Zukunft. Es soll als Forum für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik fungieren. Zu den Partnern und Initiatoren gehören keine geringeren wie das Ministerium für Bildung und Forschung, die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft und das Fraunhofer-Institut. Das Gebäude wurde von den Architekten Richter und Musikowski entworfen. Ausstellungsgestaltung und mediale Bespielung kommen von Art+Com und Schiel Projekt.

Man betritt die eigentlich Ausstellung, indem man auf die rasante Entwicklung unseres Planeten zurückblickt, und sich daraus resultierend Fragen über dessen und unsere Zukunft stellt. Das Ganze wird mit einer geschwungenen Medienwand inszeniert und teilweise auch ganz klassisch dargestellt.

weiße Pilze für die Verwendung in der Architektur

Interaktiver Spaß

Dahinter befinden sich sechs riesige Leuchtwände. Hier werden umfangreich, mit verschiedensten Medien und Beispielen, die Themen Neue Materialien, Energie, Digitale Welt, Roboter, Gene und Medizin. Man kann interaktiv mitwirken bei Fragen „Wie zukunftsträchtig ist mein Beruf?“, „Wofür werden Roboter eigentlich gebraucht?“, „Wer entscheidet welche Daten, wo erfasst werden?“ „Welche Ideen gibt es um unser Energie-Problem zu lösen?“ und vieles mehr. Mit seinem Chip kann man bewerten und sich sicher einige Stunden beschäftigen. iPads mit Augmented Reality-Anwendungen dürfen selbstverständlich genauso wenig fehlen wie der schreibende Roboter. Spannend aufbereitet für jedes Alter.

Bunte Pappkartonflächen mit Begriffen zum Thema Produktlebenszyklus

spannende Themen

Ganz anders dann in der hellen „Spielecke“. Sie lädt zum Verweilen ein, man kann sogar schaukeln, sich auf ein Sofa fläzen und einfach nur die Aussicht genießen oder mit den Themen Handel und Ressourcen, Zeit, Konsum und „Minifabriken“ auseinandersetzen. In großen kubischen Räumen werden im Futurium Berlin die Themen installationsartig und an vielen anschaulichen Beispielen aufbereitet: „Welche Rohstoffe stecken in einem Auto?“, „Wer verdient was an einem T-Shirt?“ oder „Welche Wege legt eine Jeans zurück?“. Sehr schön gelöst und auch hier wieder eine riesige Informationsflut. Künstlerisch beeindruckend nimmt Sonja Alhäuser mit „Fragment II“ Stellung zum Thema Hunger und Wohlstand anhand einer großartigen Margarine-Skulptur!

Skateboard mit einem dicken Rad in der Mitte

Fliegende Kraftwerke

Der nächste Hingucker ist die raumeinnehmende, gigantische Holz-Skulptur „Neo-Natur“. Sie wurde nach einem Prinzip des Mathematikers Ludwig Danzer entwickelt, ist 8 Meter hoch, besteht aus 16 Modulen und 4500 Verbindern und wurde mit Hilfe von Augmented Reality montiert. Sie beschreibt Quasikristalle in denen Atome in aperiodischer Struktur angeordnet sind. Hui. Hört sich verrückt an, ist es auch!

Dieser Bereich der Ausstellung beschäftigt sich mit dem Thema Energie, wie man mit „fliegenden Kraftwerke“ oder „Algen unser Energieproblem lösen kann?“. An einem tollen Modell wird die Idee der Kreislauffabriken gezeigt: „Kann unser Abfall etwas Neues werden?“ Es werden neue Materialien für Flugzeuge oder zum Bauen und Wohnen in grünen Gebäuden vorgestellt und es geht um die Naturgewalt Mensch. Auch diese sind wieder super aufbereitet und der Schreiner hat ganze Arbeit geleistet. Wow. But tooooo much Information im positiven Sinne, tragisch ist nur wenn die Zeit rennt und der Zug schon am Gleis wartet.

Präsentationstafeln mit verschiedenen Algen in Glasbehältnissen

Auf dem Dach

Schnell noch die Treppe hoch: Vor mir steht die eher alberne Zukunftsmaschine: Nun hat man ja die Möglichkeit an diversen Stellen in der Ausstellung Dinge zu bewerten und mit seinem Chip am Handgelenk abzustimmen. Dann kann man diese „Punkte“ an der sogenannten Zukunftsmaschine im Zwischengeschoß über der Ausstellung einlösen und bekommt dafür sein ganz eigenes Zukunftsbild erstellt. A-ha … nun-ja. Ähhhh, weiter!

Die pinke Treppe hoch aufs Dach des Futurium Berin zum Skywalk. Eine witzige Idee, um ein wenig zeitgemäßes Bauen auch real zu sehen. Hier kann man eine Runde über das Niedrig-Energie-Gebäude drehen um zwischen Photovoltaik- und Solarkollektoren Ausblicke auf Spree und rüber zur (Noch-)Kanzlerin zu genießen. Ein paar mehr Informationen zum Gebäude und der Technik wären interessant. Vielleicht habe ich sie zwischen all den Informationen aber auch einfach nicht entdeckt.

Plattenmaterial aus Holzstaub-Abfällen

Futurium Lab

Einen letzten kurzen Blick werfe ich ins Untergeschoß, das Futurium Lab: Dort finden Workshops rund um den 3D-Druck statt, und man kann neue Werkstoffe kennen lernen. Wem der Kopf noch nicht qualmt darf auf Bildschirme starren, kann in Büchern schmökern oder ganz einfach zum krönenden Abschluss etwas Kunst genießen. Und da sind wirklich ein paar mega Installationen aus dem Weltraum gelandet, wie die „Noosphere“ von Philip Beesley oder „The Outside Inside“ von Johanna Schmeer. Es lebt!

Das Futurium Berlin lohnt sich also definitiv, nix wie hin und viel Zeit mitbringen. Sonst hat Berlin zum Glück ja wenig zu bieten. Meinen Zug habe ich übrigens gekriegt. Pünktlich war er auch an Start und Ziel. Es klappt doch mit der Bahn.