METABOLIC
Thomas Feuerstein
Wegen des Kongresses der Neurochirurgen waren wir mal wieder in Wien – und natürlich auch kulturhungrig unterwegs. Neben der ziemlich unspektakulären DESIGN VIENNA in der Hofburg sprang uns im MQ eine sehr überraschende Ausstellung an. Das MAK hat uns diesmal eher kalt gelassen – weder Hito Steyerl noch Christbaumschmuck oder Markt haben uns gerockt. Irgendwas ist ja immer.
Worum es geht
METABOLICA erzählt eine Geschichte über die Zyklen des Lebens – über Natur, Wirtschaft, Politik, Kunst und Wissenschaft. Seit 2017 entwickelt, wird der monumentale Werkkomplex im MQ Freiraum erstmals vollständig gezeigt.
Der Raum wird zur molekularen Fabrik: Apparative Installationen, Grafiken, Literatur und Skulpturen greifen ineinander. Algen und Bakterien werden zu Kollaborateur:innen, deren Stoffwechsel Material – und zugleich Erzählung – erzeugt.
Fünf Kapitel im Schnelldurchlauf
1 · MOBY DICK / HYDRA
Einzellige Grünalgen (Chlorella vulgaris) zirkulieren durch transparente Schlauchsysteme. Die Skulptur HYDRA – Hybrid aus Wal, U‑Boot und Photobioreaktor – filtriert das Plankton; die umfunktionierte Ölpumpe MOBY DICK kurbelt die Bildung von Fettsäuren an.
2 · MRS & MR MOL
Bakterien (Cupriavidus necator) metabolisieren die Algen-Fettsäuren zu PHB (Polyhydroxybutyrat) – einem Bioplastik, das als Werkstoff für die nächsten Schritte dient. Die beiden Reaktoren zitieren augenzwinkernd die Form eines PHB‑Moleküls und damit Pop- wie Kunststoffkultur.
3 · REFINERY
In einer gläsernen, rohr- und pumpendurchzogenen Raffinerie wird das biogene PHB aus der bakteriellen Biomasse extrahiert – ein biochemisches Echo auf die Petrochemie.
4 · ANAKEL
Das PHB wird geschmolzen und im 3D‑Druck zu Skulpturen aufgebaut, die wie Stalagmiten wachsen. Bakterien bearbeiten das Material weiter – als „Steinbruch“ und „Meißel“. Eine pneumatische Figur, der Ventriloquist, lässt Feuersteins Kurzgeschichte DEAR EARTH DEARTH als Hörspiel erklingen.
5 · WHOLE DEARTH CATALOG & GOOD ROTTEN GOODS
Skulpturen wie CRAWLER oder FINNEGANS WHALE werden teilweise wieder von Bakterien zersetzt und in den Kreislauf zurückgeführt. Ein klares Bild für Transformation, Ressourcendenken und eine künftige Kreislauf‑Ökonomie.
Warum sehenswert?
Feuerstein zeigt, wie Kunst jenseits reiner Symbolik real Prozesse orchestriert – und stellt Fragen nach Ressourcen, Nachhaltigkeit und Produktion neu. Kunst und Wissenschaft arbeiten hier nicht nebeneinander, sondern miteinander.
Unser Fazit: ungewöhnlich, präzise, mit Wucht.
